Venedig sehen und stehlen
die Mischung aus Limone und Kokos, und ihm wurde übel davon. Sein leerer Magen krampfte sich jetzt erst richtig zusammen.
»Sag mir sofort, was du mit ihr gemacht hast?«
Harry wollte zu Zoe, die keinen Laut von sich gab, humpeln. Aber Franca richtete sofort die Pistole auf ihn.
»Hast du sie auch erschossen? Bist du denn vollkommen wahnsinnig?« Harry wurde geradezu hysterisch. »Was ist mit ihr? Lass mich zu ihr, verdammt!« Er machte einen Schritt in Richtung Glastierregal.
»Du bleibst schön da, wo du bist.« Franca zielte mit der »Kolibri« auf seinen Kopf. Harry sah die Wut in ihren Augen und zögerte.
Er konnte es nicht fassen. Zoe war schwanger, wenn er den Plastikstreifen auf dem Küchentisch richtig deutete. Sie hatte es eben gerade erfahren, und jetzt war sie tot. Ein dumpfes Gefühl der Verzweiflung breitete sich in Harry aus. Wie von fern drang Francas Stimme an sein Ohr.
»Ab jetzt läuft das hier nach meinen Plänen.« Ihre Stimme wurde fast schon wieder etwas rauchig. »Wenn ihr mir hier schon den Bilderraub in die Schuhe schiebt, dann will ich meine Beute auch haben. Also, wo ist das Bild? Und was macht dieser Giacometti hier in der Besenkammer von dem Spießer Giovanni? Von Giacometti war nie die Rede. Was macht der hier?«
»Was hast du Zoe angetan?«, schrie Harry. Er humpelte jetzt auf Franca zu, die sofort einen Schritt zurücktrat, um außerhalb seiner Reichweite zu sein. Er blickte in den bedrohlich schimmernden Lauf der kleinen Pistole.
»Ich dachte, Hans-Dieter spinnt, aber jetzt glaube ich, dass er recht hat: Du läufst durch Venedig und killst die Leute.«
»Wen soll ich denn umgebracht haben, caro mio?«
Sie blickte ihn provozierend an und fuchtelte mit der »Kolibri« durch die Luft. Dabei spannten die Schultern ihres schwarzen Leinenjacketts. Ihre Augen funkelten.
»Dein kleines amerikanisches Flittchen macht nur ein ausgiebiges Nickerchen.«
Bei diesen Worten verspürte Harry unendliche Erleichterung, in die sich sofort die größte Sorge mischte, wenn er an Francescas bestens sortierte Drogenvorräte dachte.
»Was hast du ihr gegeben, um Himmels willen.«
»Sie wird ein Weilchen tief schlafen. Vor allem wird sie Ruhe geben.«
»Was hast du ihr eingeflößt?«
»Sie war etwas sehr aufgeregt, deine kleine Schnecke. Offenbar hatte sie jemand anders erwartet. Sie hat mir freudig die Tür geöffnet, aber dann wurde sie leider enttäuscht.«
In dem Moment blickte Harry zu Zoe hinüber. Hatte sie eben geatmet? Bitte, bitte, lass sie atmen!
»Ich hab ihr zur Sicherheit die doppelte Dosis gegeben, doppia dose. « Franca verzog den Mund zu einem angestrengten Lächeln.
»Und wenn ihr beiden nicht artig seid, dann hab ich ja auch noch diesen hier!« Sie wackelte mit der »Kolibri« vor Harry herum.
Was für eine irrsinnige Situation: Die reglos auf dem Boden liegende Zoe, ein echter Giacometti vor der Besenkammer, die grellbunten Schwäne, Schweine und Lurche aus Robertos Werkstatt, die die hereinfallende Nachmittagssonne jetzt zum Leuchten brachte. Und dazwischen die tobende Francesca in ihren nietenbesetzten Westernstiefeln. Warum hatte die Polizei nicht etwas besser auf sie aufpassen können?
»Was hast du überhaupt für eine Frisur?«, hörte sich Harry zu seiner eigenen Verwunderung fragen.
»Du scheinst doch jetzt auf Blond zu stehen.« Sie stieß ein gehässiges Lachen aus. »Wenn sie wegen dieses Bilderraubes hinter mir her sind, den ich überhaupt nicht begangen hab, musste ich mir ja wohl erst mal eine neue Frisur zulegen.«
»Hättest lieber bei deiner alten bleiben sollen.« Noch während Harry das sagte, bereute er es schon.
Francescas voller Mund wurde augenblicklich zu einem Strich, ihre Stimmung schlug wieder um.
»Du bist doch genauso ein Heuchler wie Hans-e-Dieter. Borghesucolo! Ihr seid doch alle lächerliche Spießer, ihr deutschen Männer. Pah! Was gebe ich mich mit euch überhaupt noch ab. Du musst mir nur noch verraten, wo ihr den Miró versteckt habt. Sag mir endlich, wo ihr den Miró versteckt habt. Den Giacometti nehm ich als Zugabe.«
»An einem sicheren Ort.« Aus dem Augenwinkel sah Harry, dass Zoe ein Bein bewegte. Harry fiel ein Stein vom Herzen. Da zischte ihn Franca an.
»Das verrätst du mir schneller, als du denkst, glaub mir.« Die grenzenlose Wut war ihr ins Gesicht geschrieben.
»Diese Videoaufnahme im Museum, das werdet ihr mir bezahlen!« Franca kam immer mehr in Rage. »Du hast verloren, du bist erledigt, du bist im
Weitere Kostenlose Bücher