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Venetia und der Wuestling

Venetia und der Wuestling

Titel: Venetia und der Wuestling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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behoben die Ängste Mrs. Hendreds, dass Venetia am Ende eine Landpomeranze war, und hatten sogar der Kammerzofe einige Worte seltenen Lobes entlockt; aber Venetia war durchaus bereit, ihre Garderobe zu ergänzen, und fand sogar viel Vergnügen daran, sich nach dem letzten Schrei der Mode herauszuputzen. Auch an der Gesellschaft ihrer Tante fand sie dauerndes Vergnügen, denn da sie ihr ganzes Leben lang mit egoistischen Menschen zusammengelebt hatte, befremdete sie Mrs. Hendreds Entschlossenheit, sich durch nichts in ihrer Behaglichkeit stören zu lassen, durchaus nicht, sondern sie hielt die Tante weiterhin für komisch und hatte sie sehr gern. Aber hinter all ihrem Genießen lag ein dumpfer Schmerz, ein Unglücklichsein, nie vergessen, das manchmal zu brennender Qual wurde. Sie konnte Damerei nicht aus ihrem Sinn verbannen.
    Immer wieder dachte sie unwillkürlich daran, was sie ihm etwa über die St.-Pauls-Kathedrale erzählen würde, oder wie er lachen würde, wenn er hörte, dass Mrs. Hendred überzeugt war, eine strikte Abmagerungsdiät zu befolgen, wenn sie bei jedem Mahl einen Teller harten Zwiebacks neben sich niederstellen ließ, während sie so delikate Gerichte wie Trüffelpastete und Hummerpastetchen genoss.
    Während noch das spitzbübische Lächeln um Venetias Lippen zuckte, erinnerte sie sich, dass sie ja nie wieder einen Spaß mit ihm teilen würde, ihn vielleicht überhaupt nie wiedersehen würde, und dies stieß sie in eine derartige Verzweiflung, dass sie verstand, warum Leute wie der arme Sir Samuel Romilly Selbstmord begingen, und sie sie um ihre Flucht aus der Hoffnungslosigkeit beneidete. Sie lebte nur für Aubreys seltene Briefe, aber die brachten ihr wenig Trost. Er war ein schlechter Briefschreiber, und die Neuigkeiten, die er ihr mitteilte, betrafen hauptsächlich Undershaw. Wenn er Damerei erwähnte, dann nur, um zu erzählen, er sei mit ihm auf der Jagd gewesen oder hätte ihn dreimal nacheinander schachmatt gesetzt.
    Sie war kein Mensch, der seine Gefühle zur Schau trug, und ließ sich weder zu Tränenfluten hinreißen noch zu Anfällen lethargischer Geistesabwesenheit. Nur der wehe Blick in ihren Augen verriet sie manchmal und verursachte ihrer Tante ein unbehagliches Gefühl.
    Im Großen und Ganzen kam sie mit Mrs. Hendred sehr angenehm aus, und Mrs. Hendred war sehr erfreut über sie. Sie war eine aufmerksame Gefährtin; sie kleidete sich mit bewundernswert gutem Geschmack; ihre Manieren waren anmutig; und statt vor Fremden schüchtern und stumm zu sein, wie man es eigentlich erwartet hätte, war sie vollkommen sicher und konnte sich ebenso leicht mit einem klugen wie mit einem dummen Mann unterhalten.
    Mrs. Hendred fand nur einen einzigen Punkt an ihrem Betragen auszusetzen, und das war ihr unheilbarer Unabhängigkeitsdrang. Nichts konnte sie davon überzeugen, dass es unpassend für sie sei zu meinen, sie könne ihr Leben führen, ohne ältere Menschen zu Rate zu ziehen, und entschieden unschicklich, allein in London spazieren zu gehen. Fast in jeder anderen Hinsicht war Veneria bereit, ihr nachzugeben und sich sogar ihrem Urteil zu beugen, aber auf ihre Freiheit verzichten wollte sie nicht. Sie ging allein einkaufen; sie ging allein in den Parks spazieren; und kaum hatte sie entdeckt, dass ihre Tante historische Denkmäler nur äußerst widerstrebend besuchte und sich für keine anderen Bilder interessierte als solche, die von Modemalern gemalt wurden, machte sie es sich schon zur schrecklichen Gewohnheit, nachmittags, während Mrs. Hendred durch ein friedliches Nickerchen auf ihrem Bett wieder ihre Kräfte sammelte, aufzubrechen und in einer Droschke zur Westminsterabtei oder zum Tower oder sogar zum Britischen Museum zu fahren.
    „Was, von anderen Überlegungen ganz abgesehen, genügt", sagte Mrs. Hendred tragisch, „dass dich jeder für einen Blaustrumpf hält! Und etwas Fataleres gibt es einfach nicht!"
    Dieses Gespräch fand beim Mittagstisch statt, und Veneria, die höchst erstaunt die außerordentlichen Grimassen beobachtete, die ihre Tante jedes Mal zog, wenn sie einen Schluck Wein nahm, rief aus: „Meine liebste Ma'am, sind Sie auch sicher, dass mit dem Sherry, den Sie da trinken, alles in Ordnung ist?"
    Während sie noch sprach, fiel ihr Blick zufällig auf den Butler. Er war ein Individuum mit steinernem Gesicht, aber bei Venetias Worten zuckte es verräterisch. Dieses Phänomen erklärte sich unverzüglich, als Mrs. Hendred mit einem tiefen Seufzer sagte: „Kein

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