Venezianische Verführung (German Edition)
müssen in seiner Strenge.
Wie es aussah, füllte Leandro jetzt die Lücke in Auroras Leben, die der Tod ihres Vaters aufgerissen hatte. Diese Lücke, die sie nicht als solche empfand und eine andere, die sie nie wahrgenommen hatte.
Schon jetzt, da Leandro nur ein paar Stunden weg war, sehnte sie sich nach seiner Umarmung, nach seiner Stimme, seinem Atem auf ihrer Haut und seinem Penis tief in ihr. Sie seufzte bei dem Gedanken an seine Küsse, die Tage und die Nächte mit ihm.
Nicht nur die Truhen mit ihren Kleidern, sondern auch die Seekarten und die Malutensilien würden erst am Nachmittag geliefert werden, sodass Aurora rein gar nichts zu tun hatte. Das Abstauben würde sie einer Dienerin überlassen. Stattdessen öffnete sie alle Fenster. Jene drei Diener, die sie begleitet hatten, waren in der Küche zugange. Sie würden Lebensmittel besorgen müssen.
Auch Aurora würde ein wenig in der Stadt spazieren gehen. Ein wenig Taschengeld besaß sie doch. So konnte sie einen Caffè trinken oder sich einen Sommerhut kaufen. Auch wenn Leandro Hüte hasste, sie schützten den Teint und die Augen vor zu viel Sonne und der Hitze. Er selbst trug höchstens einen Dreispitz und auch den nicht allzu häufig. Männer und ihre kleinen Verrücktheiten. Man hielt es nicht mit ihnen aus, aber noch weniger ohne sie.
San Donà di Piave lag am Fluss Piave, der in die Adria mündet. Die Villa ihres Vaters befand sich in der Nähe des Meeres. Die Stadt erstreckte sich ein landeinwärts. Obwohl es bis zum Zentrum ein gutes Stück war, nahm Aurora keine Kutsche. So konnte sie die Brise genießen, die vom Meer herkam. Dabei nahm sie kaum den Lärm auf der Via Giorgione wahr.
Kutschen ratterten über die staubigen Straßen. Menschen saßen, in ihre Unterhaltungen vertieft, sich vor den Häusern gegenüber. Händler boten lauthals ihre Waren feil. Es war ein sonniger Frühlingstag. Zwar roch es nach Schmutz aus dem Rinnstein, doch ebenso drangen die Düfte der Nelken, Bergenien und Anemonen aus den Gärten zu ihr.
Blinzelnd blickte Aurora in die Sonne, da raste ein Schatten auf sie zu.
Jemand rempelte sie an. Aurora strauchelte und verhedderte sich in ihren Röcken. Jemand riss sie an ihrem Arm herum. Sie fiel.
Eine Kutsche schoss rumpelnd dicht an ihr vorbei. Beinahe wäre sie überrollt worden. Ihr Herz raste. Sie spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich und Schweiß aus ihren Poren trat. Aurora begann zu zittern. Sie starrte in die Richtung, in die der Mann gerannt war, der sie angerempelt hatte. Dort sie erkannte nur seinen dunklen Mantel und den Dreispitz.
»Kann ich Ihnen helfen?« erklang eine Frauenstimme neben ihr.
Aurora wandte sich um und blickte in das Gesicht einer jungen Frau, die trotz ihrer Sonnenbräune blass wirkte. Sie hatte ihr Leben gerettet.
»Hat jemand versucht, mich zu töten?« fragte Aurora.
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete die junge Frau zögernd. »Ein Mann stieß Sie an, doch ob es Absicht war, weiß ich nicht.« Sie hielt Aurora ihren Arm hin, um ihr aufzuhelfen.
Die schweren Röcke, besonders der Reifrock machten das Aufstehen nicht leicht. Aurora strich ihre Röcke glatt und bedankte sich.
»Aurora Currado, Siorina. Ich stehe in Ihrer Schuld. Wenn ich eines Tages etwas für Sie tun kann, würde ich mich sehr freuen.«
»Keine Ursache«, sagte die Frau. »Ich lasse niemanden von einer Kutsche überrollen nicht, wenn ich etwas dagegen unternehmen kann.« Sie lächelte aufmunternd, doch Aurora sah ihr den Schrecken an, der auch ihr im Leib steckte. Ihr Schweiß wurde kalt und sie begann zu frösteln. Sie wollte nur noch zurück in die Villa gehen, ein Bad nehmen und sich hinlegen. Vielleicht ließ sie besser das Bad weg und ruhte gleich. Sie fühlte sich sterbenselend.
Nicht alle Tage entkam man dem Tod derart knapp. So etwas wollte sie nicht noch einmal erleben.
Sie verabschiedete sich von der Frau, die sich ihr als Siora Macri vorstellte, doch nicht ohne sie für den nächsten Tag zum Abendessen einzuladen. Diese lehnte jedoch dankend ab, da sie verreisen würde. Ein letztes Mal nickte Aurora ihr zu und ging zurück zur Villa ihres Vaters.
Aurora hastete hinein, an einem Diener vorbei, der sie verwundert anblickte. Sie suchte ohne Umwege ihr Zimmer auf. Dort zog sie sich bis auf die Chemise aus und warf sich aufs Bett. Da sie erbärmlich fror, stand sie wieder auf und nahm mehrere Decken aus der Truhe mit dem Bettzeug.
Trotz der vielen Decken wurde ihr nicht warm.
Eine Dienerin
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