Venezianische Verführung (German Edition)
klopfte und erkundigte sich zaghaft nach ihren Wünschen.
Aurora bestellte eine heiße Schokolade, welche die Frau ihr bald darauf brachte. Verschwommen bekam sie mit, wie diese ihr das heiße Getränk auf den Nachttisch stellte. Aurora schlürfte es hastig, obwohl es fast noch zu heiß dafür war. Sie lechzte nach der Wärme und nach dem lebendigen Geschmack auf ihrem Gaumen.
Wieder und immer wieder sah sie vor sich im Geiste die sich schnell drehenden Kutschenräder, die knapp an ihr vorbeigeschossen waren. Das Geräusch der Räder auf dem Steinboden der Straße erschütterte selbst in der Erinnerung noch ihren Leib. Auch den Mann, der sie angerempelt hatte, sah sie, wie er um die Straßenecke hastete. Der Mantel, den er getragen hatte, kam ihr bekannt vor. Pietro, aber auch Leandro besaßen einen ähnlichen oder gar den gleichen. Sie wagte nicht, den Gedanken weiter zu verfolgen.
Wenig später fiel sie in einen unruhigen Schlaf.
* * *
Am nächsten Morgen klopfte jemand gegen Auroras Zimmertür.
»Ja, was ist denn?«
»Besuch, Siora«, erklang die Stimme einer Bediensteten von der anderen Seite der Tür.
»Zu dieser frühen Stunde?« Sie hatte sich soeben erst angekleidet und trug ein Kleid aus hellgelber Seide.
»Es tut mir leid, Sie zu stören«, sagte die Bedienstete, »doch die Herren sagen, es sei wegen Ihres Mannes, Siora.«
»Er ist nicht da. Sie sollen in drei Wochen wiederkommen.« Falls er bis dahin wieder da sein würde. Er hatte es zwar gesagt, doch so genau wusste man es bei ihm nie. Sie seufzte. »Gut, ich komme gleich.« Sie strich sich ein wenig Rouge auf Wangen und Lippen, tupfte Rosenparfum hinter ihre Ohrläppchen und verließ den Raum.
Im Flur erwartete die Bedienstete sie. »Die Herren warten im blauen Salon auf Sie.«
»Danke.« Aurora schritt die Treppe hinunter, durchquerte den unteren Flur und betrat den Salon. Zwei ältere Herren saßen auf der Chaiselongue und ein jüngerer auf einem der Stühle. Aurora trat näher. »Guten Morgen, die Herren.«
»Guten Morgen, Siora Currado.« Die Männer bedachten sie mit eigentümlichen Blicken. »Wir kommen wegen Ihres Mannes.«
»Ist ihm etwas zugestoßen?« Ihr Herz krampfte sich zusammen.
»Nein. Es geht um Siorina Emma Berardino.«
Aurora fröstelte. Sie bemerkte, dass die Männer jede Bewegung und jede Mimik von ihr studierten.
»Sie ist tot«, sagte der älteste Polizist.
Sie fühlte sich mit einem Mal schwach. Mit zitternder Hand griff sie nach der Lehne eines Stuhls und hielt sich daran fest. Hinsetzen mochte sie sich nicht.
»Sie hat sich erhängt. Wegen Ihres Mannes. Das sagt zumindest die Mutter der Siorina Berardino.« Der Beamte sah sie mitfühlend an. »Sie soll sich aus Verzweiflung das Leben genommen haben. Die Frau wusste nicht mehr ein noch aus.«
Aurora fühlte sich elend. Also war die Frau doch von Leandro schwanger gewesen und hatte sich in dieser Situation selbst getötet und mit sich Leandros Kind.
»Um dieser Sache auf den Grund zu gehen und Sie zu befragen, sind wir hier.«
Aurora wartete. Was wollten die Männer von ihr?
»Sie kannten Siorina Berardino?« fragte der älteste Polizist.
»Zu sagen, ich würde sie kennen, wäre übertrieben. Ich habe sie mal gesehen.«
»Würden Sie uns die genaueren Umstände erläutern?« Der älteste Polizist hob seine aschgrauen Augenbrauen.
»Nun, genau gesagt habe ich sie zweimal gesehen. Einmal kam sie zu uns zu Besuch und einmal waren mein Mann und ich bei ihr. Sie behauptete, von meinem Mann schwanger zu sein.« Lügen würde sie nicht, die kamen ohnehin irgendwann raus. Sie konnte nur hoffen, dass diese Angelegenheit bald aufgeklärt wurde und dass Leandro unschuldig war.
»Und war sie es?«
»Er sagte, er kenne die Frau nicht. Wenn ich meinem eigenen Mann nicht glaube, wem dann?«
Der älteste Polizist nickte. »Aber er könnte Gelegenheit dazu gehabt haben?«
»Gelegenheit allein erschafft noch keine Taten, Sior.«
»Gab es sonst irgendetwas Ungewöhnliches? Hat sich Ihr Mann in der letzten Zeit merkwürdig benommen?«
Das Gespräch mit der Baronessa Pavese und die Aufdeckung eines dunklen Teils von Leandros Vergangenheit fielen ihr ein. Nein, dies war nicht genug, um ihm einen Strick daraus zu drehen. »Nein, mir ist nichts aufgefallen.
Warum fragen Sie?«
»Der Mord an seiner ersten Frau wurde niemals aufgeklärt. Es gab mehrere Verdächtige. Ihr Mann war einer von ihnen – derjenige mit dem größten Motiv.«
»Ich kann mir nicht
Weitere Kostenlose Bücher