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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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«Ihre Befürchtung, dass ich mich in ihren Haushalt einmischen könnte, dürfte damit gegenstandslos geworden sein. Du musst ihr die Situation erklären.
    Sie kann kein Interesse daran haben, dass der Palazzo Tron vor die Hunde geht.»
    «Aber nur unter einer Bedingung.»
    «Und die wäre?»
    «Du brichst diese bizarren Kreditverhandlungen sofort  ab. Wir können nur hoffen, dass die Bank nicht bereits bei der Principessa nachgefragt hat. Das würde mich in eine äußerst peinliche Lage bringen.»
    «Du hast nichts davon gewusst.»
    Tron seufzte. «Hoffentlich glaubt die Principessa mir  das.»
    «Da wäre noch etwas, Alvise.»
    «Und was?»
    «Mein Maskenball.»
    Tron sah die Unsicherheit in den Augen der Contessa,  und auf einmal tat sie ihm Leid. «Dein Maskenball, der in zwischen eine venezianische Institution ist», sagte er. «An der du gern festhalten möchtest.»
    «Allerdings.»
    Tron lächelte. «Es wäre völlig sinnlos, den Palazzo Tron zu renovieren und keine Maskenbälle mehr zu veranstalten.»
    «Meinst du, die Principessa sieht das auch so?»
    «Sie wird vermutlich darauf bestehen, ein halbes Dutzend wichtiger Kunden einzuladen. Aber sie zahlt ja auch für alles», sagte Tron. Er dachte einen Moment nach. «Und möglicherweise könnte sie auf den Gedanken kommen, das Treppenhaus des Palazzo zu diesem Anlass mit ihren Glasprodukten zu dekorieren.» Könnte sie wirklich, dachte Tron. Als er sah, wie die Contessa erbleichte, fügte er eiskalt hinzu: «Immerhin sind die Gäste deiner Bälle ziemlich zahlungskräftig.» Dann fiel ihm noch etwas ein. Das würde der Contessa den Wind aus den Segeln nehmen. Tron sagte gnadenlos: «Wenn sich die Principessa nicht um neue Kunden für ihre Produkte kümmern würde, dann würde es im Palazzo Balbi-Valier genauso durchregnen wie bei uns.» Er warf einen anzüglichen Blick auf die feuchten Gobelins und beugte sich fröhlich über den Tisch. «Und das wollen wir doch in Zukunft nicht mehr, oder?»

13

    Seitdem sich vor einem halben Jahr das Gerücht verbreitet hatte, der Kaiser würde bei seinem nächsten Venedig-Aufenthalt auch der questura einen Besuch abstatten, hatte  Spaur es für ratsam gehalten, sein Büro auf einen möglichen Besuch des Allerhöchsten vorzubereiten.
    So war das obligatorische Portrait des Kaisers, früher ein Bild, auf dem der Blick Franz Josephs weichlich in die Ferne schweifte, durch ein Gemälde ersetzt worden, auf dem die Augen des Kaisers den Betrachter feldherrnmäßig durchbohrten – der Kaiser bevorzugte bekanntlich ein militärisches Erscheinungsbild. Außerdem hatte sich Spaur dazu aufgerafft, alle Spuren privaten Lebens, die sein Büro mit den Jahren überwuchert hatten, zu tilgen und den Raum in ein Zentrum der effektiven Verbrechensbekämpfung zu verwandeln.
    Die weiche Ottomane, auf der Spaur mittags ein längeres Nickerchen zu machen pflegte, war durch ein hartes  Kavalett ersetzt worden – was dazu führte, dass sich der Polizeipräsident jetzt jeden Mittag zwei Stunden auf sein Zimmer im Danieli zurückzog, um dort seinen Mittagsschlaf zu halten. Verschwunden war auch der Tisch mit dem Kaffeekocher und der runden Kuchenplatte daneben. Der silberne Kaffeekocher war durch eine zerbeulte Militärtee kanne ersetzt worden, die Kuchenplatten durch eine  Schachtel Militärzwieback. Folglich war Spaur dazu gezwungen, mehrmals täglich ein Café aufzusuchen.
    Unmittelbar neben dem Gemälde des Kaisers hing seit  vier Wochen ein riesiger Venedigplan, auf dem kleine, verschiedenfarbige Fähnchen die Brennpunkte der Kriminalität markierten. Die bedrohlich aussehende Häufung roter Fähnchen auf der Piazza San Marco, die eine Überquerung des Platzes auf den ersten Blick lebensgefährlich erscheinen ließ, war allerdings hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass jeder Fall von Zechprellerei durch ein rotes Fähnchen und jeder Taschendiebstahl durch zwei angezeigt wurde.
    Das war natürlich albern, aber Tron musste zugeben,  dass es bei flüchtiger Betrachtung einen gewissen Effekt machte. Hier stemmte sich, würde Franz Joseph bei seinem Besuch denken, eine entschlossene Polizeitruppe furchtlos einer wahren Springflut von Verbrechen entgegen.

    Als Tron gegen Mittag sein Büro in der questura betrat, fand er die Nachricht vor, dass der Polizeipräsident ihn sofort zu sprechen wünsche. Also begab er sich ein Stockwerk höher, durchquerte das von einem Sergente bewachte Vorzimmer Spaurs, klopfte an und trat ein. Der

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