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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Polizeipräsident, im Knopfloch seines Gehrocks eine joviale weiße Nelke, hatte sich hinter seinen Papieren verschanzt und bot das sorgfältig inszenierte Bild eines Mannes, der bis zur Erschöpfung für Recht und Ordnung kämpft. Infolgedessen blickte er erst auf, als Tron unmittelbar vor seinem Schreibtisch stand.
    «Nehmen Sie Platz, Commissario», sagte der Polizeiprä sident in betont dienstlicher Stimmlage. Er deutete mit einer zackigen Handbewegung auf den Stuhl, der auf der anderen Seite des Schreibtisches stand.
    Tron fiel auf, dass Spaurs Schreibtisch nicht von den üblichen Akten im Kanzleiformat bedeckt war, sondern von hellblauen Bogen in der Größe privaten Briefpapiers. Auf denen hatte sich der Polizeipräsident fleißig Aufzeichnungen gemacht, es wimmelte von Durchstreichungen und Korrekturen. Neben den Briefbogen lag ein Federhalter,
    und Spaurs Finger waren voller Tintenflecke. Natürlich  fehlte auch die übliche Schachtel Demel-Konfekt nicht auf dem Schreibtisch. Der Polizeipräsident hatte sie bereits weitgehend geleert – die ganze Schreibtischplatte war mit bunten Papierkügelchen übersät. Als Spaur Trons Blick bemerkte, fing er an, die Papiere zu ordnen.

    «Es gibt ein Problem», sagte er schließlich. «Und zwar  betrifft es die junge Dame, der ich mich seit geraumer Zeit verbunden fühle.»
    «Signorina Violetta», sagte Tron. Es wäre sinnlos gewesen, so zu tun, als wüsste er nichts von Spaurs Geliebten, einer jungen Sängerin am Fenice. Die ganze Stadt wusste darüber Bescheid.
    Spaur warf einen misstrauischen Blick in Richtung Tür,  so als würde er im Vorzimmer einen Lauscher vermuten.
    «Es hat den Anschein, dass die junge Dame belästigt wird», sagte er.
    «Belästigt?»
    Der Polizeipräsident schob wütend ein paar Blätter zusammen. «Von einem jungen Stutzer.»
    «Sagt das Signorina Violetta?»
    «Das sage ich. Weil ich den Burschen selber gesehen habe.»
    «Wo?»
    «Auf der Treppe des Hauses, in dem Signorina Violetta  wohnt. Er kam mir entgegen, und in ihrem Zimmer stand  eine Vase mit frischen Cattleyas.» Der Polizeipräsident stieß ein bitteres Lachen aus und nahm ein Stück Nougat aus der Konfektschachtel.
    «Hat die junge Dame bestätigt, dass die Blumen von  dem Mann stammten, der Ihnen im Treppenhaus begegnet  ist?»
    «Sie hat behauptet, die Blumen seien von einem unbekannten Verehrer. Aber ich bin sicher, dass es sich dabei um diesen Mann gehandelt hat.» Mit Grabesstimme fügte Spaur hinzu: «Der angeblich ihr Vetter ist.» Wieder stieß er ein bitteres Lachen aus. Das Nougatstück verschwand in seinem Mund.

    Führte er dieses Gespräch wirklich? Oder war er in seinem Büro eingeschlafen und träumte das alles nur? Tron  beugte sich irritiert vor: «Und was kann ich in dieser Angelegenheit tun?»
    «Feststellen, welchen Umfang diese Belästigung hat,  Commissario», sagte der Polizeipräsident knapp. «Violetta und ich sehen uns dreimal in der Woche. Montag, Donnerstag und Sonntag. Ich frage mich, unter welchen Umständen Signorina Violetta die restlichen Abende verbringt.
    Die Auskünfte, die sie mir gibt» – Spaur räusperte sich nervös –, «sind nicht sehr erhellend.»
    Tron zückte seinen Notizblock. «Das würde bedeuten,  dass das Haus in der Calle Speranza viermal in der Woche überwacht werden müsste.»
    Spaur nickte. «Ohne dass meine Person damit in einen  Zusammenhang gebracht wird.»
    «Selbstverständlich, Herr Baron.»
    «Und dann wäre noch etwas, Commissario.»
    «Ja?»
    «Dieser angebliche Vetter von Signorina Violetta – ein  Student der Jurisprudenz aus Padua – schreibt Gedichte. Er veröffentlicht seine Verse in einer Zeitschrift namens Rime di Torino. Kennen Sie diese Zeitschrift?»
    Tron schüttelte den Kopf.
    «Ich auch nicht.» Spaur schnaubte wütend und schlug  mit der flachen Hand auf den Tisch. «Was jedoch Signorina Violetta nicht daran hindert, ihren angeblichen Vetter für diese Veröffentlichungen zu bewundern. Ich habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass ich fast täglich mit dem Herausgeber des Emporio della Poesia zusammentreffe.»
    Was Spaur nie die Bohne interessiert hatte. Trons Versu che, den Polizeipräsidenten zu einem Abonnement zu be wegen, waren regelmäßig gescheitert. Er fragte: «War Signora Violetta der Emporio ein Begriff?»
    Spaur nickte. «Sie kannte den Emporio und war entsprechend beeindruckt.»
    Der Polizeipräsident beugte sich lächelnd über den Tisch und tat etwas, was

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