Venezianische Versuchung
seufzte. „Nun, ruiniert nicht direkt. Das wäre übertrieben. Allerdings …“ Sie zuckte die Schultern.
„Er macht mich glücklich“, sagte Jane leise. „Und ich denke, dass ich ihn auch glücklich mache. Bestimmt wollen Sie nicht, dass wir darauf verzichten.“
„Oh!“ Sie errötete, und erneut stiegen ihr Tränen in die Augen. „Natürlich nicht. Es tut mir leid, Miss Wood.“
„Das braucht es nicht, Diana. Ich möchte nur, dass Sie verstehen, wie sehr wir einander lieben. Da Sie selbst glücklich verheiratet sind, werden Sie begreifen, wie viel uns unsere Liebe bedeutet.“
Diana umarmte ihre ehemalige Gouvernante fest. „O ja, Miss Wood. Meine liebe Miss Wood …“
„Es wäre schön, wenn Sie mich Jane nennen könnten. Ich beabsichtige nicht, in Ihrem Herzen den Platz Ihrer Mutter einzunehmen. Aber ich werde mit all meiner Liebe für Sie da sein, wenn Sie es nur zulassen.“
Einen Moment lang standen die beiden Frauen einander fest umschlungen da.
Selbst wenn Richard und ich nie eigene Kinder bekommen sollten, dachte Jane, so kann ich mich doch glücklich schätzen, Diana und Mary zu haben.
Vom ersten Tag an hatte sie die beiden geliebt. Nun waren sie zu zwei wundervollen jungen Damen herangewachsen und zumindest die eine würde bald Mutter werden und Richard zum Großvater machen. Die Vorstellung beglückte Jane zutiefst. Welch ein perfektes Familienglück! Schöner konnte das Leben nicht sein!
Sie war so in ihre Gedanken versunken, dass sie die Gondel, die sich dem Ufer näherte, gar nicht bemerkte. Beinahe lautlos bewegte der Gondoliere das lange Ruder. Und sehen konnte Jane das Boot nicht, da sie mit dem Rücken zum Kanal stand, während sie Diana noch immer gerührt in den Armen hielt.
Auch Diana achtete nicht auf das, was um sie herum vorging. Die zwei Männer mit den Karnevalsmasken bedachte sie mit keinerlei Aufmerksamkeit. Die beiden stiegen aus der Gondel und bewegten sich auf die Frauen zu. Plötzlich riss einer der beiden Miss Wood rücksichtslos an sich. Sie schrie auf, während Diana fast das Gleichgewicht verlor und vor Schreck keinen Laut hervorbrachte.
„Hi…“ Janes Hilferuf wurde vom schweren Stoff des Umhangs erstickt, dessen Zipfel der Mann ihr auf den Mund drückte. Dann warf er sie sich wie einen Sack über die Schulter und rannte davon.
„Was soll das?“, protestierte Diana. „Zu Hilfe! Lassen Sie …“
Jetzt hörte Jane nichts mehr außer den Schritten ihres Entführers, der entsetzlich nach Fisch stank. Sie konnte auch nichts sehen. Ihr wurde übel. In diesem Moment ließ der Mann sie fallen, und sie landete so hart auf dem Rücken, dass ihr der Atem stockte.
O Gott, betete sie, bitte, lass nicht zu, dass diese Schurken Diana und ihrem ungeborenen Kind etwas antun!
Dann endlich drang wieder Luft in ihre Lungen. „Diana“, rief sie, „geht es Ihnen gut? Wo sind Sie?“
„Silenzio!“, schnauzte der Mann und stieß eine wüste Drohung aus.
Jane kämpfte die aufsteigende nackte Angst nieder und zwang sich, still zu sein. Sie musste besonnen handeln! Sie musste nachdenken!
Aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, dass sie in einer Gondel lag und dass mindestens zwei Männer bei ihr waren. Sie spürte, wie das Boot schaukelte. Nach einer Weile veränderte sich irgendetwas. Die Geräusche waren jetzt andere, das Schaukeln wurde heftiger. Vermutlich hatten sie den Kanal verlassen und befanden sich nun auf dem offenen Wasser. Wohin wollten ihre Entführer sie bringen? Aus einiger Entfernung drang das unverkennbare Läuten der Glocken von San Marco an ihr Ohr. Noch also befand sie sich in der Stadt.
Aber warum hatte man sie überhaupt entführt? Das alles hatte doch keinen Sinn! Tagsüber galt Venedig als Stadt, in der auswärtige Besucher sich gefahrlos aufhalten konnten. Und die Ca’ Battista lag zudem in einem der sichersten Stadtviertel. Es war einfach unvorstellbar, dass irgendjemand dort am hellen Vormittag eine Engländerin kidnappen würde!
Es sei denn, dem Ganzen läge ein bestimmter Plan zugrunde.
Wer könnte ein Interesse daran haben, mir zu schaden? überlegte Jane.
Sogleich fiel ihr Signor di Rossi ein. Furcht breitete sich in ihr aus, doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Ja, ihr vermeintlicher Freund musste hinter diesem Überfall stecken. In Venedig gab es niemanden sonst, der einen Groll gegen sie hegte. Und das wusste auch Richard. Würde ihm etwas einfallen, um sie zu befreien?
Der Gedanke an Richard half ihr, neuen Mut zu
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