Venezianische Versuchung
glücklich wie ich, Miss Wood“, fuhr Mary leise fort. „Dass Sie so lange unsere Gouvernante waren, eine Angestellte also, interessiert mich überhaupt nicht. Denn in erster Linie waren sie stets Dianas und meine Freundin.“
„Nun“, mischte Diana sich ein, „mich interessieren diese Klassenunterschiede aber durchaus!“ Sie hatte die Arme um ihren Leib geschlungen, dessen Rundung deutlich zeigte, dass sie ein Kind trug. Es war eine beschützende Geste, die Dianas Worte irgendwie wichtiger erscheinen ließ. „Ich möchte Miss Wood keine Vorwürfe machen. Aber du, Papa, solltest doch wissen, worauf du dich einlässt! Bist du nicht mehr ganz bei Sinnen? Ist dir denn gar nicht klar, was für einen Skandal eine solche Ehe auslösen würde?“
Richard stieß ein ungeduldiges Schnauben aus. „Wie kannst du es wagen, so etwas zu sagen, Diana? Du warst es doch, die daheim in Aston Hall für einen Skandal gesorgt hat! Hast du vergessen, welche Mühe es mich und auch Miss Wood gekostet hat, dich vor dem Ruin zu bewahren?“
„Miss Wood hat nur ihre Pflicht getan. Es war ihre Aufgabe als Gouvernante auf mich und Mary achtzugeben. Du hast sie dafür bezahlt, Papa. Und jetzt sieht es so aus, als habest du außerdem …“
„Genug, Diana!“, fiel Aston ihr ins Wort.
Solche Auseinandersetzungen waren typisch für die beiden. Schon als kleines Kind hatte Diana stets versucht, ihren Kopf durchzusetzen. Das war ihr zwar meist nicht gelungen, aber es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass ihr Vater sie ebenso wie ihre Schwester maßlos verwöhnt hatte. Die ruhige Mary hatte allerdings anders darauf reagiert. Denn es war Diana, die das goldblonde Haar, das aufbrausende Temperament und die Dickköpfigkeit ihres Vaters geerbt hatte. Vater und Tochter waren sich so ähnlich, dass es zwangsläufig immer wieder zum Streit kommen musste.
„Ich werde nicht zulassen, dass du so über Jane redest!“, donnerte Richard.
„Sie meint es nicht böse“, verteidigte Jane die junge Dame, so wie sie es schon hundertmal zuvor getan hatte. „Bitte, reg dich nicht auf, Richard. Damit machst du alles nur noch schlimmer.“
„Nichts könnte schlimmer sein“, erklärte Diana, deren Stimme einen klagenden Ton angenommen hatte, „als dass mein Vater diese Affäre mit Ihnen fortsetzt, Miss Wood.“ Sie wandte sich ihm wieder zu. „Es kann dir doch nicht gleichgültig sein, Papa, dass die Leute hinter deinem Rücken über dich lachen werden, wenn du Miss Wood heiratest! Du kannst eine Gouvernante nicht zur Duchess machen! Man wird dich nicht mehr respektieren, wenn du eine Bedienstete …“
„Still, cara!“ Diesmal war es Lord Anthony, der Diana unterbrach. Er sprach Englisch mit einem leichten italienischen Akzent. „Diese Sache geht nur die beiden etwas an. Du hast England verlassen und führst an meiner Seite ein Leben in Rom. Es kann dir vollkommen egal sein, worüber man in England tratscht.“ Er küsste sie sanft auf die Wange und hob dann auch noch ihre Hand an die Lippen.
Richard warf ihm einen überraschten und anerkennenden Blick zu. Seit sie sich einander vorgestellt hatten, waren dies die ersten Worte, die Lord Anthony von sich gab. Es waren sehr vernünftige Worte, wie Richard fand. Er hatte sofort erkannt, dass dieser Gentleman genau der Typ Mann war, von dem seine Tochter Diana sich beeindrucken ließ. Wie gut, dass Lord Anthony nicht nur äußerst attraktiv, sondern auch sehr geduldig und überraschend klug war!
„Beruhige dich, carissima“, fuhr Dianas Gatte fort und schenkte ihr ein besorgtes Lächeln. „Es ist nicht gut für dich und das Baby, wenn du dich aufregst.“
„Da haben Sie recht, Randolph“, stimmte Richard ihm zu. Die Achtung, die er für seinen Schwiegersohn empfand, wuchs von Minute zu Minute. „Da du nun bald Mutter sein wirst, Diana, musst du lernen, das Wohlergehen des Kindes über dein eigenes zu stellen.“
Eine dicke Träne rann Diana aus dem Auge und lief ihr die Wange hinunter. „Warum quälst du mich dann so, Papa? Warum kannst du mir nicht ein kleines bisschen entgegenkommen? Ich bin doch immer noch deine Tochter.“
Er seufzte. „Natürlich bist du nach wie vor mein über alles geliebtes Kind. Trotzdem kann ich nicht zulassen, dass du Jane beleidigst. Sei vernünftig, Diana, und denk nicht immer nur an dich selbst.“
„Aber ich habe doch zuerst an mein Baby und nicht an mich gedacht!“, fuhr sie auf. „Ich möchte, dass mein Kind glücklich und unbelastet von
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