Venezianische Versuchung
sich rasch damit angefreundet und die logische Konsequenz gezogen: Er würde die Frau, die er liebte, heiraten. Damit würde alle Welt sich abfinden müssen.
Seine Töchter, die so unvermutet aufgetaucht waren, wirkten allerdings derart schockiert, dass momentan wohl keine Hoffnung auf ihre Zustimmung zu seinen Plänen bestand.
Richard hatte die Mädchen so würdevoll, wie das vom Bett aus möglich war, gebeten, sich im Salon zu gedulden, bis er so weit wäre. Dort standen sie nun gemeinsam mit ihren Ehemännern und musterten ihren Vater, der sich inzwischen angekleidet hatte, kühl und vorwurfsvoll.
Er hatte, nachdem er die beiden fortgeschickt hatte, Jane ein paar ermutigende Worte zugeflüstert und sich dann rasch fertig gemacht. Auch Jane hatte hastig das Bett verlassen, um in ihr Zimmer zu eilen und sich anzuziehen. Dann hatte sie Richard auf seine Bitte hin in den Salon begleitet. Und er, der eigentlich seinen Töchtern Vorhaltungen wegen ihrer überstürzten Heiraten hatte machen wollen, musste zur Kenntnis nehmen, dass in seinem Leben plötzlich alles auf den Kopf gestellt worden war. Nicht er war es, der seinen Töchtern Vorwürfe machte. Nein, Mary und Diana tadelten ihn! Es war sehr bedrückend, plötzlich derjenige zu sein, der Ablehnung und Tadel erfuhr.
„Du wirst verstehen, Papa“, sagte die ältere der beiden jungen Damen, „dass es ein großer Schreck für uns war.“ Mary war stets die vernünftigere der Schwestern gewesen, und Jane hatte sich ihr oft sehr nahe gefühlt. „Dass wir dich mit Miss Wood in …“
„… in einer eindeutigen Situation vorfanden“, half ihr irischer Gatte ihr gut gelaunt. Offenbar war er entschlossen, nur das Amüsante an den verwirrenden Geschehnissen zu sehen.
„Unsinn!“, widersprach Richard, der mit der gesunden Hand beruhigend über Janes Schulter strich. „Wir waren uns längst einig geworden, dass wir baldmöglichst heiraten wollen. Aber es ist nicht so leicht, in Venedig einen anglikanischen Priester zu finden. Im Übrigen“, er warf seinem Schwiegersohn einen strengen Blick zu, „bin ich Ihnen keine Rechenschaft schuldig, Fitzgerald.“
„Nur keine unnötige Aufregung!“, meinte Jane. Sie hob den Arm, um ihre kleine Hand auf Richards große zu legen und ihn so daran zu erinnern, dass er auf keinen Fall die Beherrschung verlieren durfte. Dann schenkte sie seinen Töchtern ein warmes Lächeln. „Ich verstehe sehr gut, dass Sie im ersten Moment entsetzt waren. Tatsächlich waren wir selbst anfangs auch sehr überrascht. Die Liebe bringt uns dazu, seltsame Dinge zu tun, nicht wahr? Wer von uns hätte jemals gedacht, dass Frankreich oder Italien so romantische Länder sind?“
Jetzt glitt auch über Richards Gesicht ein Lächeln. Liebevoll schaute er zu Jane. Wie sehr er sie liebte! Das mussten doch auch seine Mädchen erkennen! Es war ja nicht zu übersehen, wie glücklich Jane ihn machte!
Marys Miene allerdings blieb ernst. „Ich gebe zu, dass das europäische Festland überraschend romantisch ist. Aber Sie werden mir zustimmen, Miss Wood, dass die Umstände, unter denen ich meinen Mann geheiratet habe, sich doch sehr von Ihrer … Ihrer Affäre mit meinem Vater unterscheiden.“
Jane ging auf den Vorwurf nicht ein, sondern meinte freundlich: „Vielleicht wäre dies alles einfacher für uns, wenn Sie mich Jane und nicht Miss Wood nennen würden.“
„Ich fürchte, das kann ich nicht. Sie sind immer Miss Wood für mich gewesen. Und Sie werden es wohl immer bleiben.“
Richard spürte, wie Jane leicht zusammenzuckte, und kam ihr sogleich zu Hilfe. „Dann solltet ihr meine zukünftige Frau vielleicht mit ‚Euer Gnaden‘ ansprechen, denn sobald wir verheiratet sind, wird Jane einen bedeutend höheren Rang bekleiden als ihr.“
Mary errötete. „Du hast mich missverstanden, Papa. Miss Wood hat in unserem Leben sehr lange eine sehr wichtige Rolle gespielt. Es fällt mir – und bestimmt auch Diana – einfach schwer, mir vorzustellen, dass sie jetzt deine Gattin wird.“ Sie trat auf Jane zu und sagte ruhig: „Wenn Sie meinen Vater lieben, Miss Wood, und wenn er Ihre Liebe erwidert, dann wünsche ich Ihnen und natürlich auch ihm alles nur erdenklich Gute.“ Jetzt endlich zeigte sich ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht.
„Danke, Mary.“ Jane streckte die Arme aus.
Und zu Richards Erleichterung umarmten die Frauen sich mit eben jener Zuneigung, die er schon so oft zwischen ihnen beobachtet hatte.
„Ich hoffe, Sie werden ebenso
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