Venezianische Versuchung
wie sie schmeckte und duftete und auch wie sie sich möglichst eng an ihn schmiegte!
Es war fast, als sei er wieder ein junger Mann, der zum ersten Mal ein Mädchen in den Armen hielt. Sie küssten sich, und plötzlich schien das Leben wieder voller wunderbarer Möglichkeiten zu sein. Weiß Gott, alles war möglich, sofern Jane nur bereit war, sich mit ihm gemeinsam darauf einzulassen. Wie hatte ihm nur entfallen können, welche Magie darin lag, eine Frau zu küssen, wie süß und weich und einladend der Mund einer Frau sein konnte!
Er schloss Jane fester in die Arme und hob sie ein wenig hoch. Sie war nicht nur klein, sie kam ihm auch sehr leicht vor und so warm und verschmust wie ein Kätzchen.
Ein bisschen verwirrt darüber, dass sie den Boden unter den Füßen verloren hatte, löste Jane sich von ihm. Doch das wollte er nicht zulassen. Erneut presste er seinen Mund auf ihren und küsste sie hungrig, während ein wildes Verlangen in ihm erwachte. Er war entzückt, als Jane auf seine Liebkosungen mit Hingabe und Eifer reagierte.
Sie küssten sich lange und leidenschaftlich. Dabei spürte Richard, wie Janes Hände zitterten. Auch das gefiel ihm, denn für ihn war es der Beweis dafür, dass er der erste Mann war, der sie so berührte. Für sie war alles neu, das verriet die Art, wie sie vor Überraschung immer wieder erschauerte. Dann allerdings schlug ihre Verwunderung in Begierde um. Auch das konnte Richard spüren. Denn jetzt verflog auch der letzte Rest von Janes Widerstand, und ihr Herzschlag beschleunigte sich.
„Jane, o Jane“, raunte er, als er ihren Mund endlich freigab. Mit den Fingern fuhr er ihr durch das Haar, tupfte federleichte Küsse auf ihre Stirn, ihre Wangen, ihr Kinn und ihren Hals. „Meine süße Jane.“
Ein neuer Schauer überlief sie, dann legte sie den Kopf so weit zurück, dass Richard ihr Gesicht sehen konnte. Ihre Lippen waren feucht und leicht geöffnet. Ihr Atem ging schnell, was zweifellos darauf zurückzuführen war, dass der lange, heftige Kuss ihr ebenso viel Vergnügen bereitet hatte wie ihm. In ihren Augen allerdings, die im Mondlicht riesig wirkten, glaubte Richard ein beinahe ungläubiges Erstaunen zu erkennen. O Gott, sie war schön! Ihre Haut schimmerte wie Seide, die langen Wimpern warfen dunkle Schatten auf ihre Wangen.
„Wie soll es nun weitergehen, Richard?“, fragte sie leise. „Was kommt als Nächstes?“
„Als Nächstes?“, wiederholte er. „Nun, ich denke, wir werden zur Ca’ Battista zurückkehren und die Signora bitten, für ein frühes Frühstück zu sorgen. Es sei denn, Sie würden den Wunsch verspüren, mich noch einmal zu küssen.“
Sie lächelte, doch sie sah plötzlich sehr traurig aus dabei. „Die Köchin der Signora wird Ihnen gern alles zubereiten, was Sie sich wünschen. Sogar Tee.“
„Kein zweiter Kuss? Schade …“ Seine Stimme klang ein wenig heiser. „Für mich war es eine wundervolle Erfahrung. Trotzdem werde ich Sie nicht bedrängen, wenn Sie mich nie wieder küssen wollen. Doch bitte bedenken Sie, dass uns nur etwa zwei Wochen bleiben, bis …“
„O bitte“, unterbrach sie ihn, „schmieden Sie keine Pläne. Ich habe mein Leben lang planen müssen. Ich habe Vorbereitungen und Absprachen getroffen und versucht, meine Arbeit so gewissenhaft und ordentlich wie nur möglich zu erledigen. Jetzt aber möchte ich für den Augenblick leben. Ich wünsche mir, meinen Eingebungen folgen zu können, ohne irgendwelche Pläne zu machen. Hier in Venedig möchte ich für ein paar Tage frei sein und tun können, was mir gefällt, ohne an die Konsequenzen denken zu müssen.“
„Liebe Jane“, sagte er leise und streichelte ihre Wange, „alles, was wir im Leben tun, hat Konsequenzen, selbst hier in Venedig.“
„Das“, flüsterte sie, „ist mir in dem Moment klar geworden, als ich Sie geküsst habe. Ich wollte Sie so küssen, als habe es nichts weiter zu bedeuten. Aber es bedeutet sehr viel.“
Irgendwann während des Kusses, musste sie ihren Hut verloren haben, und jetzt fielen ihr die Haare offen auf die Schultern. Es war ein bezaubernder Anblick, der Richard den Atem stocken ließ. Jane wandte sich von ihm ab, legte die Hände auf das Geländer der Brücke und schaute über das stille Wasser des Kanals.
Ob sie sich umgedreht hat, damit ich nicht sehe, dass sie weint, überlegte Richard. Er kannte die Melancholie, die mit der Einsamkeit einhergeht, sehr gut.
„Mondlicht verändert alles, nicht wahr?“, stellte Jane fest. Und
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