Venezianische Versuchung
Ca’ Battista anvertrauen. Aber er hat, wie befohlen, auf Antwort gewartet. Miss Wood stand oben an der Treppe, als der Lakai das Päckchen in ihrem Auftrag an den Boten zurückgab.“
Zuerst hatte di Rossi nicht glauben wollen, dass die Gouvernante sich tatsächlich so abweisend verhielt. Doch inzwischen konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass sie sich weigerte, seinen Geschenken auch nur die geringste Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Er musste sich also etwas anderes überlegen, um bis zu ihr durchzudringen. Unzufrieden gestand er sich ein, dass er sich in ihr getäuscht hatte. Mit seiner zur Schau gestellten leidenschaftlichen Zuneigung schien er ihr Angst gemacht zu haben. Ja, er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so fest an ihrer typisch englischen Vorstellung davon, was sich gehörte, festhielt. Es war sein eigener Fehler gewesen. Und deshalb musste er sich nun etwas anderes einfallen lassen.
Das war nicht leicht. Denn gerade Janes englisches Wesen zog ihn besonders an! Wie merkwürdig, dass sie ihm verwehrte, was sie diesem unangenehmen englischen Duke anscheinend zu geben bereit war. Nach allem, was er von dem Platzanweiser im Theater gehört hatte, war es sehr wahrscheinlich, dass Miss Wood mit dem Duke in irgendwelche amourösen Spielchen vertieft gewesen war, als der Mann klopfte, um den Engländer mit einer fingierten Botschaft fortzulocken. Im Übrigen hatte man es auch Miss Woods Gesicht ansehen können.
Als ich die Loge betrat, hat sie so verträumt dreingeschaut, dachte di Rossi. Ihre Wangen waren gerötet gewesen, und ihre Lippen leicht geschwollen. O ja, er hatte sogleich erkannt, dass sie erregt war. Sie wartete – selbst wenn sie es noch nicht wusste – sehnsüchtig darauf, von einem Mann erobert zu werden. Und natürlich hatte er geglaubt, er könne derjenige sein, der ihr Verlangen erfüllte. Wenn er doch nur etwas mehr Zeit gehabt hätte! Verflucht, niemand außer ihm war berechtigt, ihr ihre Jungfräulichkeit zu nehmen!
Das würde er ihr schon noch beweisen! Dann würde er sie auch für ihre Starrsinnigkeit bestrafen. Ah, das würde ein großes Vergnügen sein! Er würde sie verführen. Er würde ihr zeigen, was sie falsch gemacht hatte, sie besiegen, sie zur endgültigen Unterwerfung zwingen! Diesmal würden die Rollen vertauscht sein. Diesmal würde nicht die Gouvernante ihren Schützlingen etwas beibringen, sondern er würde die kleine Gouvernante erziehen.
Sein Mund wurde trocken vor Begierde, als er daran dachte.
Um dieses Ziel zu erreichen, musste er sie allerdings dem Einfluss des Dukes entreißen.
„Soll ich das Päckchen zu den anderen stellen, Signore?“, fragte der Diener.
„Seien Sie nicht unverschämt!“ Di Rossi schlug dem Mann so hart ins Gesicht, dass dieser zur Seite taumelte und das Päckchen fallen ließ.
Sogleich sank der Diener auf die Knie, um es aufzuheben. „Verzeihen Sie meine Unverschämtheit, Signore“, sagte er demütig.
Di Rossi lächelte. Er war stolz darauf, wie gut er seine Bediensteten ausgebildet hatte. Sie wussten, dass er immer und überall absoluten Gehorsam verlangte.
Bald würde auch die kleine Gouvernante begreifen, dass es nicht klug war, sich seinen Wünschen und Befehlen zu widersetzen.
17. KAPITEL
W ährend der nächsten fünf Tage verhielten Jane und Richard sich genau so, wie englische Besucher das im Allgemeinen in Venedig tun. Sie betrachteten die berühmten Gemälde, besuchten die bekannten Kirchen und Paläste. Für Jane war es ein ganz besonderes Vergnügen, all diese kulturellen Schätze zu bewundern, während Richard an ihrer Seite war und sie die Hand auf seinen kräftigen Arm legen konnte. Nie zuvor waren ihr die Mosaike, die architektonischen Feinheiten der Gebäude und die Bilder der alten Meister so wundervoll erschienen. Sie bemühte sich sehr, in Richard die gleiche Begeisterung zu wecken.
Er war ein williger Begleiter, doch es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er an all diesen Ausflügen nur ihr zuliebe teilnahm. Jane erkannte das durchaus. Schließlich hatte sie im Laufe der Jahre oft genug erlebt, wie ihre Schützlinge vorgaben, dem Unterricht zu folgen, obwohl sie nicht das geringste Interesse an dem Stoff aufbrachten. Sie kannte diesen Gesichtsausdruck. Sie wusste, was der leere Blick und die leicht geöffneten Lippen zu bedeuten hatten. So sehr Richard sich auch bemühte, ihr den Eindruck zu vermitteln, dass er ihre kulturellen Unternehmungen spannend fand, in Wirklichkeit langweilte er
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