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Venezianische Versuchung

Venezianische Versuchung

Titel: Venezianische Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MIRANDA JARRETT
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weltoffenen Venezianer würden sie vielleicht nicht verurteilen. Aber sie würden gewiss falsche Schlüsse ziehen.
    Also, entschied Jane, darf ich meine Zuneigung zu Richard nicht offen zeigen.
    Reglos blieb sie stehen. Gleichzeitig erwachte eine neue Sorge in ihr. Sie kannte das aufbrausende Temperament des Dukes zur Genüge. Und sie hatte nicht vergessen, dass di Rossi einen Degen unter seinem Mantel trug. Nun lag es an ihr, die Situation zu entschärfen.
    Entschlossen straffte sie die Schultern, überwand ihre Furcht, verzichtete darauf, sich an Richards Brust zu werfen und sich von ihm trösten zu lassen, und faltete die Hände vor der Brust. Nun bot sie das typische Bild der gelassenen, klugen und nicht aus der Ruhe zu bringenden Gouvernante, die jeder Situation gewachsen war.
    „Bitte, regen Sie sich nicht auf, Euer Gnaden“, erklärte sie und knickste. „Hier ist alles in bester Ordnung. Darf ich Sie mit dem venezianischen Herrn bekannt machen, von dem ich Ihnen bereits erzählt habe und der mir so viel über seine Heimat beigebracht hat? Seit meiner Ankunft in Venedig war er mir eine große Hilfe.“
    Richard hob die Augenbrauen. „Tatsächlich?“, entgegnete er skeptisch.
    „Ich würde alles tun, um einer Signorina behilflich zu sein.“ Es gefiel di Rossi gar nicht, dass er zu dem Engländer hochschauen musste, weil dieser um einiges größer war als er selbst. „Aber das ist vielleicht etwas, das niemand versteht, der nicht von hier ist.“
    Statt einer Antwort brummte Aston wie ein gereizter Bär.
    Jane sah, wie di Rossi eine Hand unter den Mantel zum Griff des Degens gleiten ließ. Sogleich trat sie zwischen die Männer. Es würde am besten sein, die Konventionen zu wahren. „Euer Gnaden, dies ist Signor Giovanni Rinaldini di Rossi, ein angesehener Bürger der Stadt Venedig. Und dies, Signore, ist Seine Gnaden, der Duke of Aston.“
    Der Venezianer machte eine sehr elegante Verbeugung, wobei es ihm zudem gelang, den Duke einen kurzen Blick auf seinen glänzenden Degen erhaschen zu lassen.
    Richard gab, wie es seiner Art entsprach, lediglich einen weiteren unartikulierten Laut von sich.
    „Signor di Rossi hat Ihre Loge aufgesucht, Euer Gnaden, um Sie in Venedig willkommen zu heißen“, fuhr Jane fort. Sie kam sich vor, als müsse sie zwei trotzigen Schuljungen Manieren beibringen.
    „Das ist doch Unsinn!“, entfuhr es Richard.
    „Euer Gnaden!“ Jane klang vorwurfsvoll. „Sie sollten …“
    „Er hat ein Recht darauf, seine Meinung offen zu sagen“, sagte di Rossi mit einem herablassenden Blick auf Aston. „Ich vermute sogar, dass er der Überzeugung ist, ein englischer Duke könne sich so ziemlich jedes Recht herausnehmen.“
    „Sie sind unverschämt!“, donnerte Richard. Seine Stimme war so laut, dass sie vermutlich im ganzen Theater besser zu hören war als die von den Schauspielern vorgetragenen Texte. „Kein Engländer lässt sich von einem Fremden so beleidigen! Ich werde …“
    „Sie werden jetzt das Theater gemeinsam mit mir verlassen, Euer Gnaden“, unterbrach Jane ihn mutig. Gleichzeitig holte sie ihren Muff und ihren Mantel. Ohne ihn anzuziehen, strebte sie zur Tür. „Bitte, Euer Gnaden! Sie haben eben noch erwähnt, dass das Stück nicht Ihrem Geschmack entspricht.“
    Aston hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Misstrauisch starrte er Jane an. „Sind Sie sicher, dass Sie schon aufbrechen wollen, Miss Wood?“
    „Ja, allerdings.“ Sie hatte keine Wahl, sie musste ihm die Hand auf den Arm legen, damit er ihr folgte. „Bitte, lassen Sie uns gehen. Einen schönen Abend noch, Signor di Rossi.“
    „Guten Abend und auf Wiedersehen, Miss Wood.“ Di Rossi verbeugte sich und versuchte gleichzeitig, ihre freie Hand zu ergreifen. Jane entzog sich ihm, und jetzt musterte auch er sie stirnrunzelnd.
    Jane achtete nicht darauf, sondern schaute lächelnd zu Aston. „Euer Gnaden?“
    Zu ihrer Erleichterung reichte er ihr den Arm und führte sie in den Gang hinaus. „Gehen wir.“ Er würdigte di Rossi keines weiteren Blickes. Gemessenen Schrittes begab er sich mit Jane ins Foyer. Dort half ihr ein herbeieilender Livrierter in den Mantel, und schließlich trat sie an Richards Seite auf die Straße hinaus.
    Eine Reihe von Gondeln lag am Anlegesteg vertäut, während die Gondolieri sich an einer Ecke der Piazza versammelt hatten, Pfeife rauchten und eine Flasche Wein herumgehen ließen. Als sie den großen kräftigen Gentleman bemerkten, der das Theater verließ, eilten mehrere

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