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Venezianische Versuchung

Venezianische Versuchung

Titel: Venezianische Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MIRANDA JARRETT
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sich.
    Dennoch war sie glücklich. Bewies sein Verhalten doch, dass er entschlossen war, über seinen eigenen Schatten zu springen, um ihr eine Freude zu machen. Seit Jahren gehörte sie zu seinem Haushalt und sie wusste, wie sehr alle sich anstrengten, niemals sein Missfallen zu erregen. Für ihn war es selbstverständlich, dass alles sich um ihn drehte. Und nun – sie konnte es wirklich kaum glauben – bemühte er sich so sehr, sie glücklich zu machen. Natürlich gab sie sich die größte Mühe, auch sein Leben zu verschönern. Wenn er sich bereit erklärte, den Morgen nach ihren Wünschen zu gestalten, so war sie im Gegenzug dazu bereit, die Nachmittage so zu verbringen, wie er es sich vorstellte.
    Das fiel ihr nicht einmal schwer. Denn die Unternehmungen, die er wählte, entsprachen durchaus ihrem Geschmack. Gleich am ersten Nachmittag beobachteten sie von einer Brücke aus eine Regatta, wobei sie – genau wie die vielen anwesenden Kinder – kleine Fähnchen schwenkten und mit lauten Rufen ihre Lieblingsmannschaft ermutigten. Erschrocken, fasziniert, aber auch ein wenig belustigt, sah Jane zu, wie mehrere Gondolieri im Eifer des Gefechts ins kalte Wasser des Kanals stürzten.
    Später führte Richard sie zu einer steinernen Bank und holte auf ihre Bitte hin an einem Straßenstand heiße „frittelle“. Das waren in Fett ausgebackene kleine Fladen, die von dem Verkäufer mit Zucker bestäubt und mit einem Löffel voller Pinienkerne gekrönt wurden. Sie schmeckten ein wenig ungewöhnlich, aber doch sehr gut, wie Jane bereits wusste. Nun machte sie Richard mit dieser venezianischen Delikatesse bekannt. Sie zog ihre Handschuhe aus und fütterte ihn, bis er, zu ihrer Erheiterung, begann, ihr den Zucker von den Fingerspitzen zu lecken.
    Es überraschte sie, dass Richard ohne ihr Zutun eine seltsame Faszination für die Reliquien entwickelte, die überall in Venedigs Kirchen ausgestellt waren. Sie begleitete ihn zu den verschiedensten Gotteshäusern, in denen angeblich Knochen der Heiligen Ursula, Splitter des Kreuzes und sogar – bei der Vorstellung überlief Jane ein Schauer – die Arme der Heiligen Cäcilie aufbewahrt wurden. Weiterhin gab es Überreste der Heiligen Lucia, des Heiligen Zacharias und einen Fuß der Heiligen Maria von Ägypten.
    Jane konnte nicht begreifen, was so interessant an den mumifizierten Körperteilen all dieser Märtyrer sein sollte. Allerdings empfand sie Bewunderung für die kunstvoll gearbeiteten und häufig vergoldeten Schreine, in denen die Reliquien aufbewahrt wurden. Während sie am liebsten gar nicht darüber nachdenken wollte, was sich darin befand, konnte Richard gar nicht genug Einzelheiten über die grausamen Schicksale der Heiligen erfahren. Natürlich gab es immer irgendeinen Priester, der nur zu gern alle Fragen beantwortete.
    Eine ganz andere Stimmung vermittelte alles, was mit dem venezianischen Karneval zu tun hatte. Signora della Battista hatte ihren englischen Gästen vorgeschlagen, einmal die Promenade mit dem Namen Riva degli Schiavoni zu besuchen, wo wegen des Karnevals verschiedene Stände aufgebaut worden waren. Jane fühlte sich von dem bunten Treiben an den Zirkus erinnert, der vor einigen Jahren in Aston haltgemacht hatte. Da gab es in glänzende Seidengewänder gehüllte Seiltänzer und kleine Hunde, die Röcke trugen und auf den Hinterläufen tanzten. Außerdem Musikanten und Sänger sowie Jongleure und Gruppen von Akrobaten, die Pyramiden bildeten und tollkühne Sprünge vollführten.
    Vor einem kleinen Zelt saß eine alte Zigeunerin, die ihren Kunden die Zukunft voraussagte. Um die Menschen anzulocken, rief sie mit brüchiger Stimme: „Kommen Sie zu mir, schöne Dame, vornehmer Herr! Für nur zwei Soldi verrate ich Ihnen, was das Leben für Sie bereithält. Wird es Freude oder Kummer sein? Werden Sie es zu einem Vermögen bringen? Ich verschweige Ihnen nichts. Kommen Sie her, ich sage Ihnen nichts als die Wahrheit!“
    „Möchten Sie sich weissagen lassen, Jane?“, fragte Richard und musterte die Zigeunerin. „Sie brauchen nur die Handschuhe auszuziehen und der Alten Ihre Hand zu zeigen. Vielleicht erfahren Sie dann, dass Sie bald von einem lang verschollenen Onkel, der als Pirat zu Reichtum gekommen ist, eine Kiste voll Gold, Juwelen und Perlen erben.“
    „Nein, nein“, wehrte Jane ab. Der Anblick der alten Frau, die einen rubinroten Turban trug und kleine verkrüppelt wirkende Hände hatte, machte sie seltsam beklommen. Wenn die Alte

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