Veni, Vidi, Gucci
Raum eine Bezeichnung. Der Weinkeller. Das zweite Wohnzimmer. Das Home Office. Das ist doch normalerweise ein Ministerium, nicht? Jedenfalls hat das Haus auch ein Home Office. Aber was mich am meisten begeistert hat, war das Frühstückszimmer. In dem Haus gab es so viele Räume, dass manche davon nur zu bestimmten Uhrzeiten genutzt wurden. Ehrlich, ich habe mich anfangs gefragt, ob im Frühstückszimmer um zwölf automatisch die Rollläden heruntergehen.
Trotzdem ist das Haus nichts Besonderes, jedenfalls nicht für hiesige Verhältnisse. Die meisten Häuser hier sind so groß, dass längst nicht alle Zimmer bewohnt sind. Kein Wunder, dass die Frau von der Parkbank hierher will.
Richard und ich verliebten uns auf Anhieb in das Haus. Natürlich war ich damals begeistert von der Aussicht, hierher zu ziehen. Früher wohnte ich in einem stinknormalen Reihenhaus; Schlafzimmer, Kinderzimmer, Wohnzimmer, Küche. Ach ja, und irgendwo dazwischen ein Bad, das diese Bezeichnung im Grunde nicht verdiente. Es gab eine avocadogrüne Badewanne aus Kunststoff, ein farblich beinahe passendes Waschbecken und eine blaue Toilette, die mein Vater bei einem seiner seltenen Versuche, sich nützlich zu machen, irgendwann in einem Schuttcontainer gefunden hatte.
Erst seit ich in einer besseren Gegend wohne, kann ich einen Vergleich ziehen. Früher lebte ich auf einer Straße mit lauter identischen winzigen Häusern, in denen Großfamilien eng aufeinander hockten. Und es war alles vertreten. Wir repräsentierten das multikulturelle England, wie es im Buche steht. Und mein momentanes, mono kulturelles Umfeld besitzt doch glatt die Frechheit, mich in Sachen Rassismus zu belehren. Was wissen die schon? Unsere Kinder lernen andere Kulturen nur aus Büchern kennen oder durch irgendwelche seltsamen Gastredner an der Schule, die ein fremdes Volk repräsentieren und von weit her angereist kommen. Beispielsweise aus Leicester.
Trotz der Anstrengungen der weißen Faschisten in unserer Gegend war die Rasse nie ein Thema für mich und meine Freundinnen. Wir lebten nach einer einfachen Regel. Wir teilten die Menschen in zwei Kategorien ein, die nichts mit der Hautfarbe zu tun hatten: in die, die wir mochten, und in die, die wir nicht mochten.
Damals war mir das noch nicht bewusst. Es war halt mein Leben, das nicht analysiert, sondern gelebt werden wollte. Rückblickend muss ich für vieles dankbar sein. Mag sein, dass ich nicht so viele Spielsachen und Kleider besaß und nicht so häufig in den Urlaub fuhr, aber dafür barg meine Welt einen Reichtum, den meine verwöhnten Kinder niemals kennen lernen werden.
Damals war das Leben noch einfach.
Kein Geld, kein Spielzeug, bloß Freundinnen. Menschen, die wir mochten, und Menschen, die wir nicht mochten.
Aber ich bin ziemlich vom Thema abgekommen. Jetzt lebe ich in einem Haus, das einen Weinkeller und ein Frühstückszimmer hat.
In dem die Kinder sich im Moment aufhalten.
Thomas sieht sich das Video an, das Al ihm geliehen hat. Molly tröstet Myra, ihre Flickenpuppe, deren Arm jetzt endgültig abgerissen ist. Was Myra allerdings einen VIP-Status in der Puppenrangordnung verleiht – sie ist Mollys erste Amputierte.
Summer wartete nicht ab, dass ich sie hereinbat, als sie die Kinder zurückbrachte. Nachdem sie Richard in der Küche erspäht hatte, murmelte sie nur kurz »Ich ruf dich an« und machte auf dem Absatz kehrt.
»Warte!«, rief ich ihr hinterher, während sie zur Straße lief. »Ich wollte dir noch Glück wünschen.«
»Keine Zeit. Ich muss meinen Flieger kriegen. Ich ruf dich an.«
»Sag George liebe Grüße von mir!«, rief ich noch, aber sie war bereits verschwunden.
Summer kann stundenlang quasseln, wenn ihr danach ist. Heute Morgen ist ihr jedoch einzig danach, sich möglichst rasch von meinem Haus zu entfernen, das sie normalerweise liebt. Aber nicht, wenn Richard anwesend ist.
Richard hat ein großes Frühstück vorbereitet. Die Kinder – ja, sogar Thomas – brachen in lautes Jubelgeschrei aus, als sie ihn sahen.
»Daddy, du machst Frühstück!«, von Molly, die ihr Essen liebt.
»Dad, fährst du mit mir zum Spiel?«, von Thomas, der seinen Fußball liebt, obwohl ich das wahrscheinlich nicht erneut betonen muss.
Kinder haben die Angewohnheit, ihre Privilegien einzufordern, nicht wahr? Richard hätte auch drei Monate weg sein und mit einer anderen Nase und ohne Ohren zurückkommen können, und es wäre den Kindern nicht aufgefallen.
Wir frühstückten alle zusammen, und
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