Veni, Vidi, Gucci
beschissenes Leben ich führe ...«
»Was redest du da? Das ergibt keinen Sinn.«
»Diese Frau ... sie hat ein Gespräch mit mir angefangen. Sie hat im Café gehört, wie die anderen über mich herzogen. Offensichtlich wusste sie nicht, von wem die Rede war, aber ich dafür schon.« Die bloße Erinnerung treibt mir Tränen in die Augen.
»Woher willst du das wissen? Vielleicht ging es ja um eine völlig andere Person.«
»Nein, die meinten mich. Da waren zu viele ... Details, die stimmten. Es passte alles. Die waren gut informiert.«
In diesem Augenblick kommt Molly in die Küche gerannt. Ich will nicht, dass sie sieht, wie ich weine, weshalb ich rasch das Gesicht abwende. Aber meine Sorge ist unbegründet. Molly hat keinen Blick für mich übrig. Sie schlingt die dünnen Ärmchen um Richards Taille und vergräbt das Gesicht in seinem Bauch. »Hab dich lieb, Daddy«, sagt sie dann in ernstem Ton, bevor sie wieder ins Frühstückszimmer zurückhüpft.
»Aber woher wissen die von unserer ... unserer Situation?«, fragt Richard, als Molly wieder weg ist.
Ich hebe die Schultern. Was soll ich ihm sagen? Dass ich einer Frau vertraut habe, die ich kaum kenne? Dass ich meine engsten Freundinnen im Ungewissen gelassen und stattdessen der Erstbesten, die mich mit ihren Designerklamotten geblendet hat, intime Details aus meinem Leben preisgegeben habe?
»Verdammt«, flucht Richard, dem offenbar irgendetwas eingefallen ist. »Ich weiß, wer dahintersteckt. Adam.«
»Adam?«, wiederhole ich. Wovon redet Richard überhaupt?
»Einer von unseren Werbedesignern. Er hat eine ziemlich große Freundin, Amanda. Die beiden waren auch auf der Geburtstagsfeier. Amanda arbeitet in derselben Bank wie der Mann von dieser Natasha. Wahrscheinlich hat Adam ein paar Gerüchte aufgeschnappt und im privaten Kreis weitererzählt. Dieser Wichser .«
Während Richard vor Wut kocht, versuche ich herauszufinden, wovon er gerade redet. Ich brauche fast eine ganze Minute, bis es mir dämmert.
Richard spricht von seiner Affäre beziehungsweise davon, wie diese sich herumsprechen konnte. Ich kann nicht fassen, dass ich mir diese Frage nicht ebenfalls gestellt habe. Während ich vor Scham versunken bin, weil Natasha überall verbreitet hat, dass ich eine heruntergekommene Trinkerin bin, die ihre Kinder vernachlässigt, ist mir nicht einmal der Gedanke gekommen mich zu fragen, woher sie wusste, dass Richard mich verlassen hat.
Ich spüre wieder Wut in mir hochsteigen. »Gib nicht Adam die Schuld, weil er eins und eins zusammengezählt hat. Damit muss man rechnen, wenn man seine Geschäftspartnerin bumst«, fahre ich Richard wütend an. »Im Büro wird nun mal getratscht. Das ist gang und gäbe.«
»Egal, trotzdem ist Adam ein mieser Wichser. Oh Mann, neulich hat er noch von deiner Party geschwärmt, nachdem ich aus Mailand zurück war.«
Ich kann mir das nicht mehr anhören. Dieser Adam hat also zwei Gesichter. Verflucht, na und? Ist er deshalb schlimmer als ein mieser, hinterhältiger, ebenfalls doppelgesichtiger Ehebrecher? Ich glaube nicht.
Ich bebe innerlich vor Wut. Und vor Verzweiflung ...
Seit dem Gespräch mit Natasha lässt mich die Sorge nicht mehr los, dass sie vielleicht recht haben könnte. Vielleicht bin ich ja Alkoholikerin. Vielleicht ist der Tag gar nicht mehr weit, an dem ich ohne Alkohol nicht mehr funktioniere. Vielleicht ist es ja schon so weit. Denn im Moment, um zehn Uhr morgens, habe ich das dringende Verlangen, ein Glas Wein zu trinken.
»Es tut mir wirklich leid, was du gestern durchgemacht hast«, sagt Richard betreten. »Mensch, kein Wunder, dass du ... Das war knapp vor einer Alkoholvergiftung.«
Seine Sorge ist ein Trost. Ich lasse mich davon berieseln, obwohl ich mir eigentlich mehr wünsche als nur sein Mitgefühl, aber ich begnüge mich vorerst damit.
Richard sieht auf seine Armbanduhr. »Fran, es wird Zeit für mich. Tut mir leid ... Wir müssen noch über so vieles reden. Sobald das Shell-Projekt abgeschlossen ist, setzen wir uns zusammen und sprechen uns aus ...«
Ich kann ihn immer noch nicht ansehen.
»Triffst du dich mit ihr?«, frage ich.
»Was meinst du?«
»Siehst du sie heute noch? Nach dem Büro?«
»Nein ... Das ist nicht geplant. Wenn du es genau wissen willst, ich habe sie nicht mehr gesehen, seit ich aus Italien zurück bin ... Ich hatte einfach keine Zeit dafür.«
Ach ja, richtig . Warum frage ich überhaupt? Als würde Richard mir die Wahrheit sagen.
Er geht ins Frühstückszimmer.
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