Venice Beach
zufriedengeben, sie teilweise einzugestehen, bisweilen gegen ihre Offensichtlichkeit aufbegehrend, aber überzeugt, richtig gehandelt zu haben, weil es eingewilligt hat, auf einen Teil seiner anfänglichen Lügen zu verzichten. Jack war ein Kind.
Außerdem lag zweifellos auch ein Stück Berechnung in seinen scheibchenweisen Geständnissen. Jack spekulierte darauf, dass diese in der Tat spärlichen Skrupel zu seinenGunsten ausgelegt würden. Indem er ein paar Informationen herausrückte, verfolgte er in Wirklichkeit zwei Ziele: Den Verdacht von sich abzulenken, indem er zeigte, dass er bereit war zu reden, ohne dass man ihm Fragen stellte, und das Wohlwollen der Polizei für den Fall zu gewinnen, dass die Dinge wirklich eine schlechte Wendung nehmen würden. Das war ganz richtig gesehen. Ein Typ, der sich etwas vorzuwerfen hat, sucht nicht um ein erneutes Treffen mit den Behörden nach, er verhält sich still und wartet, bis das Gewitter vorbeizieht. Er meldet sich nur, wenn er unschuldig ist. Oder blöde. Jack war weder das eine noch das andere. Er war ängstlich und pervers.
Aber vor allem wollte er mich wiedersehen. Und das hatte ich noch nicht begriffen.
Polizisten sind auch pervers. Und ziemlich häufig paranoid. Für sie kann jemand, der sich der Polizei anvertraut, ein ganz ausgezeichneter Bluffer sein. Deshalb schließen sie nie aus, dass er mit dem Ziel, dem Verdacht zu entgehen, auspackt. Ich weiß, das ist schwer nachzuvollziehen, aber die Wände meines Büros würden nicht ausreichen, um die Namen der Manipulatoren aller Art dieser von innen heraus verrotteten Stadt darauf zu notieren.
Mir ist klar, dass die bruchstückhaften Geständnisse für Jack die Gelegenheit boten, mich erneut zu treffen. Zweifellos war dieses Vorgehen anfangs ohne Berechnung. Aber er hat ziemlich schnell gewusst, was er tat. Er war selbst erschrocken über seine Dreistigkeit, über diese provozierende Art, sich in die Höhle des Löwen zu wagen. Er war vor allem erschrocken, als er nach und nach die Gründefür sein Verhalten durchschaute. Ja, er war von der Angst überrollt worden. Das hat ihn jedoch nicht aufgehalten.
Ich war der Löwe. Aber wie hat er ahnen können, dass ich mich weigern würde, ihn zu verschlingen? Wie hat er mir das angesehen? War es so unübersehbar, ohne dass ich mir darüber im Klaren war? Oder hatte er einen Hang zum Risiko, einen Sinn für die Wette? Oder trieben ihn eine abgrundtiefe Verzweiflung, selbstmörderische Absichten? Nein, um offen zu sein, ich glaube, es war unübersehbar.
In Wirklichkeit war ich nicht der Löwe. Und er hatte nichts von einem Lamm.
»Und haben Sie ihn nach diesem Empfang in Bel Air wiedergesehen?« Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, einen Typen vor mir zu haben, der viel von der Sache wusste und mir nur einen Teil davon preisgab, ich beschränkte mich einfach darauf, meinen Job zu machen. Man hatte mir beigebracht, dass man immer eine Frage mehr stellen und den Leuten die Würmer aus der Nase ziehen muss. In diesem Augenblick war ich noch der brave Schüler.
»Wir sind uns ein- oder zweimal begegnet. Auf anderen Partys. Ich erinnere mich nicht mehr an die näheren Umstände. Wissen Sie, bei meinem Beruf ist man ziemlich häufig irgendwo eingeladen, man trifft viele Leute, aber die Swimmingpools gleichen sich, die langen Kleider sind die immergleichen, die Unterhaltungen geben einem das Gefühl, man habe sie früher, anderswo schon gehört, man achtet nicht mehr wirklich darauf, man kann auch nicht mehr wirklich einen Unterschied feststellen, im Übrigen hat das keinerlei Bedeutung, man zeigt sich, man trinkt ein oder zwei oder mehr Gläser, man antwortet auf Fragen, man lächelt, man geht wieder, das ist jedes Mal dasselbe Drehbuch.« Ich habe keinen Grund gesehen, Jack Bell zu bemitleiden, ich tat es auch nicht. Trotzdem kam mir seine Erklärung glaubhaft vor. Ich zog sie nicht in Zweifel.
»Und bei diesen Gelegenheiten hat er Ihnen Gras oder anderen Stoff geliefert?«
»Ich erinnere mich nicht daran. Schon möglich.«
Jacks Gedächtnis war unzuverlässig. Diese Unzuverlässigkeit schien mir zu dem ungekämmten und verwirrten jungen Mann vor mir zu passen. Ich war überzeugt, dass der Versuch, seine Erinnerung aufzufrischen, vergeblich sein würde. Wozu sollte man Anstrengungen unternehmen, wenn sie zu nichts führten? Und warum sollte man einem Jungen, der gleichzeitig die Unschuld in
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