Venice Beach
vorzustellen, dass man nicht allein ist, wenn man von so vielen »Freunden« umringt wird. Aber es war auch nicht seine angebliche Einsamkeit, die ihn zu mir trieb. Er wollte nur die sich bietende Gelegenheit ergreifen. Und wenn ein Arrangement mit der Wahrheit das einzige Mittel war, das ihm zur Verfügung stand, um mich zu einem Wiedersehen zu überreden, dann war er ohne Zögern dazu bereit. Er hat nicht einmal nachgedacht. Das alles gestand er mir später.
Er ist rot geworden, senkte den Kopf. Schließlich ließ ich seine Hand los und legte meine auf seinen Unterarm. Seine Haut fühlte sich weich an. Er blickte auf. Ich sagte: »Ich werde dich bald anrufen. Wir werden uns wiedersehen.«
An diesem Nachmittag bin ich nicht direkt ins Büro zurückgekehrt, ich zog es vor, in dieser Stadt herumzulaufen, in der niemand zu Fuß geht, weil hier das Auto König ist. In der Luft lag der Duft von Bougainvillea. Ich kenne mich nicht besonders gut mit Blumen aus, aber ich weiß, wie Bougainvilleas riechen, meine Mutter hat es mir beigebracht, ich habe es nicht vergessen.
Ohne es zu beabsichtigen, fand ich mich auf dem Walk of Fame entlang der Highland Avenue wieder. Ich flanierte über die Sterne, ohne die Namen, die unter meinen Schritten eingraviert waren, wirklich zu beachten. Ich habe mich von fotografierenden japanischen Touristen herumstoßen lassen. Man kam aus der ganzen Welt hierher, um sich die Sohlen an den von Hollywood verbreiteten Mythen abzuwetzen. Ich habe versucht, mir die Gesichter der heißen oder perversen Schauspielerinnen, der Babydolls, der Filmcowboys, der kurzlebigen Stars und der langlebigen Legenden, deren Fußabdrücke auf der Esplanade vor dem Chinesischen Theater festgehalten sind, in Erinnerung zu rufen, und ich bin nicht immer so weit gekommen. Jacks Gesicht schob sich unablässig dazwischen.
Nein, sein Gesicht verließ mich nicht. Und ich wusste nicht, ob ich mich fragen sollte, warum, oder ob ich imGegenteil sorgfältig vermeiden sollte, mir die Frage zu stellen. Das Affentheater um mich herum genügte jedenfalls nicht, um mir Ablenkung zu verschaffen. Ich bin zu einer Telefonzelle gegangen, habe in meiner Hosentasche nach Münzen gesucht und die Nummer der Bücherei gewählt. Es hätte mir gutgetan, mit Laura zu reden, aber man sagte mir, sie sei in der Mittagspause. Ich hatte entschieden kein Glück.
Und wenn ich sie an jenem Tag erreicht hätte, wäre ich dann dem allem entkommen?
Ich winkte ein Taxi herbei, um auf die Wache zurückzukehren. Ich kurbelte das Fenster herunter, die Luft glühte. Ich hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Ich dachte plötzlich an das Kind, das kommen würde, und zum ersten Mal jagte mir diese Aussicht Angst ein. Ich habe diesen üblen Gedanken auf der Stelle vertrieben, indem ich einen Schwall heißer Luft einatmete.
Als ich das Büro betrat, war McGill da und begrüßte mich mit einem Kopfnicken, ich weiß nicht einmal, ob ich seinen Gruß erwidert habe. Er fragte mich nicht nach den Ergebnissen meiner Vernehmung, und ich habe ihm auch keine mitgeteilt. Hätte ich es getan, vielleicht hätte er dann angeregt, Jack vorzuladen, ihn gründlicher zu befragen und Fingerabdrücke von ihm zu nehmen, um sie mit denen zu vergleichen, die der Gerichtsmediziner gefunden hatte, und er hätte recht gehabt. Ich fürchtete diese zusätzlichen Untersuchungen nicht sonderlich, aber ich fühlte mich nicht imstande, das Risiko auf mich zu nehmen. Ein absurdes Vorgefühl.
Ich ahnte vor allem, dass ich nicht von Jack reden durfte. Dass es gefährlich war, von ihm zu reden, dass es gefährlich war, an ihn zu denken.
Ich fasste zunächst den Entschluss, ihn entgegen meinem Versprechen nicht anzurufen. Ich hatte das Recht, seiner Bitte nicht Folge zu leisten. Und überhaupt, was sollte ein Polizist mit einem Filmstar anfangen, umso mehr, wenn ihre Wege sich über einer Leiche kreuzten? Und was sollten sie sich zu sagen haben? Ich holte das Papier hervor, auf dem ich seine Telefonnummer notiert hatte, ballte es zusammen und warf es in den Papierkorb.
Eine Stunde später klaubte ich das zerknüllte Papier wieder aus dem Papierkorb. McGill ist dieses kleine Manöver nicht entgangen. Er enthielt sich dennoch jeden Kommentars. Er hat gut daran getan. Ich war nicht in der Stimmung.
Ich weiß nicht, wie ich auf eine solche Idee kommen konnte. Heute erscheint mir das verrückt. Aber zweifellos musste es sein. Zweifellos habe ich
Weitere Kostenlose Bücher