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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Besson
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eine Minute darüber nachzudenken, wurde mir klar, dass dem, was mit uns geschah, etwas Irreales anhaftete. Die Dringlichkeit, die Gewissheit. Dennoch sah ich nicht, wie ich es hätte anstellen können, mich nicht an seiner Seite in einem Sportwagen zu befinden, der am Meer entlangfuhr.
     
    Das Radio spielte verschwommene Melodien, die vom warmen Wind und den schnurrenden Geräuschen des Motorsüberdeckt wurden. Die Palmen bewegten sich sanft wie in den Fernsehserien. Die Wasserfläche des Pazifik war geriffelt von Lichtreflexen und einem Blau, das man für künstlich hätte halten können.
     
    Ohne anzuhalten, sind wir durch Santa Barbara gefahren. Ich habe kaum Zeit gehabt, die Häuser aus Adobeziegeln und die vielen erhaltenen Spuren einer spanischen Vergangenheit zu sehen. Die Arkaden boten schicken Läden und älteren Frauen mit zu blonden oder zu dauergewellten Haaren Schutz. In Solvang wimmelte es nur so von Touristen. Sie belagerten die falschen Windmühlen dieser merkwürdigen skandinavischen Stadt, die von schreienden Farben troff. Das hier war nicht Amerika, es gefiel mir nicht. In San Luis Obispo haben wir ebenfalls nicht angehalten. Dabei bekam ich allmählich entsetzlichen Hunger, aber hier war alles vulgär und geschäftsmäßig. Jack hat erst eingewilligt, den Motor abzuschalten, als wir in Big Sur einfuhren.
     
    Ich liebte diese Stadt, die zwischen Wäldern von Mammutbäumen und felsigen kleinen Buchten eingeschlossen ist, schon seit langem. Ich hatte dort eine Woche mit meinen Eltern verbracht, ich muss damals zehn Jahre alt gewesen sein, dieser Rest ungezähmter Natur hatte mich tief beeindruckt, und ich hatte mir gesagt, wenn man die Zurückgezogenheit schätzt, wäre Big Sur der ideale Ort. Jack hat in der Nähe eines kleinen Pfades geparkt. Als wir aus dem Wagen stiegen, roch es nach Gischt, nach Meer. Jack schlug eine kleine Bar vor, in der gute Hamburger serviert würden. Ich widersprach nicht. Er war nicht mehr der schüchterne junge Mann, den ich beim ersten Mal vor mir zu haben glaubte. Er gab sich selbstsicher und traf die Entscheidungen,ich ließ ihn machen. Es war sein Territorium. Diesen Ausflug hatte er für uns beide beschlossen.
     
    Dennoch ist seine Miene sanfter geworden, als wir uns erneut gegenübersaßen. Ich habe sogar ein wenig Verwirrung gespürt. Er warf mir manchmal den kurzen Blick eines Schiffbrüchigen zu, ja er hatte den Ausdruck, den Leute kurz vor dem Untergang haben. Und dann kehrte die Sanftheit zurück, eine Güte, die ich noch nicht Zärtlichkeit zu nennen wagte, etwas wie ein unterdrückter Wunsch. Er beobachtete unsere Umgebung, auch das. Aber in der Bar gab es nichts zu sehen, nichts, nur eine Bedienung, die in eine rote Uniform gezwängt war, Rucksacktouristen, die ihre Motorräder hinter der Glasfront geparkt hatten, Wanderer, die Rast machen wollten, und zwei Greise, die Stammgäste zu sein schienen. Keiner interessierte sich für uns. Keiner hatte Jack erkannt. Man hätte schwören mögen, dieser Ort sei nicht mit der Welt verbunden.
     
    Während des Essens haben wir ein paar Worte gewechselt, alltägliche Sätze, belanglose Dinge, wie Paare es tun, die auf dem Weg in den Urlaub an Autobahnraststätten Halt machen. Zweifellos herrschte noch Verlegenheit zwischen uns und das Unbehagen derer, für die sich entscheidende Momente am Horizont abzeichnen, aber es gab auch schon die einfachen Worte normaler Liebender.
     
    Wir sind weitergefahren. Legten die letzten Meilen des Pazifikküstenhighways zurück. Ließen rasch die Berge von Carmel hinter uns. Und dann haben sich hinter einem leichten Nebel die weißen Holzhäuser entlang der Küste von Monterey abgezeichnet.

 
    Der Spyder bog zur Bucht ab. Jack drosselte die Geschwindigkeit. Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper las eine Zeitung, an die Borke einer Palme gelehnt. Ein etwas zu sehr aufgetakeltes Mädchen bewegte sich langsam auf Rollerskates, wie eine Schwimmerin in der Luft, und studierte offensichtlich ihre Wirkung auf die männlichen Passanten. Der Junge mit dem nackten Oberkörper hat den Kopf nicht gehoben. Ich habe gelächelt.
    Jack fuhr zum Hafen. Er schien sein Ziel genau zu kennen: den Fremont Boulevard. Auf dem Parkplatz eines Motels hielt er an. Er wandte sich mir zu und sagte: »Ich hatte eigentlich vor, mit dir in die Stadt zu gehen, es ist ein angenehmer Spaziergang, ich habe ihn oft gemacht und fühle mich hier so wohl, aber das wäre eine weitere Ablenkung.« Ich sagte: »Ich

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