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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Besson
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mir glaubte. Ihre Erleichterung siegte über ihre Wut. Die Zerstreuung ihrer Angst hatte genügt, um ihr Misstrauen nicht zu wecken. Sie war glücklich, meine Stimme zu hören, nichts anderes war von Bedeutung. Sie hatte einen Abgrund überquert und erinnerte sich an den Schwindel, abernun hatte sie das andere Ufer erreicht und klammerte sich an die feste Erde.
     
    »Geht alles gut? Ich meine, mit deiner Untersuchung   …«
    »Man vergleicht die Informationen, das ist aufwendig, ich weiß nicht, ob viel dabei herauskommt, aber man muss es machen. Ich will dich nicht damit langweilen, wir haben immer gesagt, wir reden nicht über meinen Job.«
    »Wann kommst du zurück?«
    »Ich weiß es noch nicht. In zwei Tagen. Vielleicht früher. Geht’s dem Baby gut?«
    »Ja, mach dir keine Sorgen.«
    »Ich ruf dich heute Abend an. Ich küsse dich.«
    »Ich küsse dich auch.«
     
    Die erste Lüge kam mir leicht vor. Darum haben mir die anderen auch keine größeren Anstrengungen bereitet. Der Zynismus ist keine exotische Sprache.
     
    Nachdem ich eingehängt hatte, rief ich noch McGill an, um ihm mitzuteilen, dass ich mich heute nicht im Büro sehen lassen werde. Es war Freitag. Ich verabredete mich mit ihm auf kommenden Montag. Ich fragte ihn nicht nach neuen Untersuchungsergebnissen. Er hat nichts gesagt.
     
    Als ich zu meinem Platz zurückging, habe ich Jacks Rücken beobachtet und meine Schritte verlangsamt, um nichts von diesem Körper, von diesem Moment zu verpassen. Während ich um den Tisch herumging, fasste ich mit einer Hand in sein Haar. Er hob den Kopf, lächelte mich an und fragte, um sich zu vergewissern: »Alles in Ordnung?« Ich antwortete: »Ja, alles in Ordnung.«

 
    Zum ersten Mal seit seinem Tod werde ich mich in die Gegend der Western Avenue wagen, wo die Strichjungen Liebe zu festen Tarifen anbieten, wo Billy Greenfield, ohne es zu wissen, den Grundstein für seinen eigenen und meinen Untergang gelegt hat. Ich habe Sehnsucht nach einem Körper, einem Männerkörper. Der Körper Jacks fehlt mir entsetzlich, und ich wache jeden Morgen mit Magenkrämpfen auf. Ich muss unsere fiebrige Erregung wiederfinden.
     
    Da sind sie, in Reih und Glied, warten darauf, ausgewählt zu werden, werfen ein paar Worte in die verdorbene Luft, ziehen an einer Zigarette oder stehen einfach stumm und gelangweilt herum. Sie sind da wie an jenem inzwischen in die Ferne gerückten Tag, als ich sie in Begleitung von McGill befragte, vielleicht sind es dieselben, vielleicht andere. Es ist mir völlig egal, ob mich einer von ihnen wiedererkennt, es macht mir nichts mehr aus. Ich gehe zwischen den Schatten herum und suche aufs Geratewohl nach einer Silhouette, die mich an die von Jack erinnert.
     
    Ein Typ kommt auf mich zu, zwanzig Jahre, vielleicht mehr. Sein Gesicht taucht aus dem Dunkel auf, und es ist wie eine Erscheinung. Gewiss, die Schönheit ist nicht vergleichbar. Die trotzige Miene, der unfreiwillige Charmefehlen, und die Augen haben nicht denselben Glanz, aber im Gang glaube ich etwas von ihm zu erkennen, seine hagere Magerkeit, seine Blässe, die Straffheit des Nackens und die Vorspiegelung eines Lächelns. Ich frage den kleinen Prostituierten nicht einmal nach seinem Preis, ich folge ihm, oder er übernimmt es, mich zu führen.
     
    Wir steigen zu einem ziemlich schäbigen Zimmer hinauf, das nach Sperma, Trostlosigkeit und Scham riecht. Keine Erregung, nur ein wenig Fiebrigkeit. In Wirklichkeit will ich den Beweis, dass nicht alles verloren ist, dass ich die Fähigkeit besitze, an das heftige Gefühl von damals anzuknüpfen. Ich sage mir insgeheim: Ein Körper ist ein Körper, die Gesten sind ähnlich, mit ein wenig Phantasie wird es wie mit Jack sein, vielleicht werde ich sogar sein Stöhnen wieder hören können.
     
    Natürlich spielt sich nichts so ab, wie ich es hoffe. Sowie er beginnt, sich auszuziehen, erkenne ich nichts wieder. Dieser Mann ist ein vollkommen Fremder, die Art, wie er seine Kleider ablegt, ist mechanisch, ich habe es mit einem Profi zu tun, es geht keinerlei Sinnlichkeit von diesem Moment aus, nicht die geringste Verzauberung. Dennoch bleibe ich. Trotz meines Wunsches, es dabei bewenden zu lassen, aus diesem schäbigen Zimmer zu verschwinden, denke ich: Man muss das durchstehen, überprüfen.
     
    Ich hasse seinen Mundgeruch. Seine Lippen sind rissig, sein Atem stinkt, seine Zunge ist faul. Das Niederschmetterndste ist seine Haut. Sie ist zwar fest und trotz der Häufigkeit der Nummern, dem

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