Venice Beach
hat mich mit ihm verbunden, ohne auch nur nach seinem Namen zu fragen. Als ich abhob und seine Stimme erkannte, muss ich ausgesehen haben wie ein Tier, das ins Scheinwerferlicht eines Autos gerät.
Er gab sich nicht einmal die Mühe, auf den vorigen Abend zu sprechen zu kommen. Wir waren weiter, wozu das Drehbuch der gesellschaftlichen Komödie auslegen? Er sagte: »Ich komme in einer Stunde vorbei und hole dich ab. Wir fahren nach Monterey.« Ich sagte: »Ich erwarte dich.« Die Würfel waren gefallen.
Während dieser Stunde, die ich auf ihn wartete, habe ich versucht, den Schlüssel für das unabweisbare Bedürfnis zu finden, das mich zu ihm trieb. Ich habe versucht herauszubekommen, warum ein guter Polizist in ein intimes Verhältnis mit einem bekannten Schauspieler einwilligt, der vielleicht in einen Mord verwickelt ist, und vor allem, warum ein verheirateter Mann, der bald Vater wird, in Begleitung eines zwielichtigen Individuums, von dem er fast nichts weiß, zu einer Spritztour auf der SR-1 aufbricht. InWirklichkeit bedurfte es keiner großen Anstrengung, um zu verstehen, was sich da anbahnte, aber einer enormen Anstrengung, um es zuzugeben.
In dieser Stunde habe ich gleichzeitig mit großer Entschlossenheit und erstaunlicher Kaltblütigkeit gehandelt. Ohne erkennbare Erregung habe ich McGill davon in Kenntnis gesetzt, dass ich für mindestens vierundzwanzig Stunden abwesend sein würde, habe ihn gebeten, ohne mich zurechtzukommen, und habe ihm keine Erklärung für meine Abwesenheit gegeben. Im Anschluss daran rief ich Laura in der Bücherei und log ihr, ohne zu zittern, vor: Ich müsse nach San Francisco, Billy Greenfields Spur führe dorthin, sie stellte mir keine Frage, warum hätte sie es auch tun sollen, meine Untersuchungen hatten mich schon zwei- oder dreimal zu unvorhergesehenen Reisen veranlasst. Sie sagte, ohne im Geringsten zu betteln: »Weißt du, ob du heute Abend zurück sein wirst?« Ich antwortete, dass ich es nicht wisse, aber dass ich sie anrufen würde, sobald ich klarer sähe. Sie verabschiedete mich mit einem »ich liebe dich«, worauf ich ohne zu zögern mit einem »ich dich auch« geantwortet habe.
Ich dachte: Ich breche ohne alles auf, ohne Kleider zum Wechseln, sogar ohne Zahnbürste. Ich nahm mir vor, im Einkaufszentrum am Ende der Straße eine zu besorgen, verzichtete dann aber darauf. Ich wusste nicht, wie lange unsere Reise dauern würde, und ich wollte es nicht wissen.
Warum hatte er Monterey gewählt? Ich kannte die Stadt, weil ich dort während meiner Kindheit ein paar Mal gewesen war, Bodega Bay ist nicht so weit entfernt, genauauf der anderen Seite der Bucht von San Francisco. Ich erinnerte mich an ein Seebad für reiche Rentner und an Bilder von einem bebauten Strand. Besaß er Verbindungen in dieser Gegend? Und warum 300 Meilen weit weg von L. A.? Welches Bedürfnis trieb ihn dazu, eine so große Distanz zwischen die Stadt und uns zu legen?
Und da man sich nicht so leicht seiner Polizistenreflexe entledigt, konnte ich nicht vermeiden, auf die Umstände zurückzukommen, die uns zueinandergeführt hatten, Jack und mich. Gab es in Monterey irgendetwas, was mit dem Mord an Billy zu tun hatte? Um es Ihnen gleich zu sagen: Die Antwort ist nein. In Wirklichkeit gingen wir aus einem einzigen Grund dorthin: um allein zu sein.
Ich stellte mich ans Fenster meines Büros und habe, eine Marlboro rauchend, gewartet. Der Wagen, ein Spyder mit aufklappbarem Verdeck aus den sechziger Jahren, bog um die Straßenecke. Ich stürzte die Treppe hinunter.
Die ersten Minuten sind ereignislos gewesen. Ich erinnere mich an die Sonne und an das Schweigen. Wir verließen die Stadt, ohne ein Wort zu wechseln. Jack war auf die Ampeln, die Kreuzungen, die Verkehrsschilder konzentriert. Ich bemühte mich, nicht in seine Richtung zu blicken. Ich hatte natürlich bemerkt, dass er eine Mütze aufhatte, und die Haare quollen im Nacken darunter hervor; er trug eine Sonnenbrille, die sein Gesicht hart machte; er hatte eine Zigarettenpackung in den Ärmel seines T-Shirts gerollt, das mich an die Schwarz-Weiß-Fotos von James Dean erinnerte. Aber ich schaute geradeaus. Er fuhr nervös, ich hatte keine Angst.
Die Bilder der letzten Tage begannen sich in die vorbeiziehende Landschaft einzuschieben. Alles war so schnell gegangen. Die Entdeckung seines Namens in dem Notizbuch, die erste Begegnung, die zweite, das Abendessen mit Laura. Sobald ich mir erlaubte, länger als
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