Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
Musik einschaltete, hob er die graublauen Augen, erwiderte Tims spöttisches Grinsen und wandte sich schließlich wieder seiner Arbeit zu.
*
Kommissar Pit Lühnsmann konnte nicht glauben, was er da hörte. Er lehnte sich im Stuhl zurück, musterte den Mann, der vor seinem Schreibtisch stand und hatte Mühe, den Zorn zu unterdrücken. Dieses dämliche Gesicht schrie ja danach, dass man es einschlug!
»Her damit!«, knurrte Lühnsmann und streckte die Hand nach dem Wisch aus, den ihm der einfältig dreinblickende Beamte hinhielt. Er betrachtete das Emblem des Bundeskriminalamts, als könne er in diesem irgendein Anzeichen für eine Fälschung finden und las sich anschließend das Schreiben durch. »Loki von Schallern«, murmelte er und stieß ein Schnauben aus. »Hört sich ja verdammt nach einem Snob an! Verflucht noch eins!« Erneut las er sich die wenigen Zeilen durch. »Aufgrund der bundesländerübergreifenden Identität einer der vermissten Personen ...« Lühnsmann sah zu Zobel auf, dem Polizisten, der wirklich ständig ein Gesicht zog, als machte er sich gerade in die Hosen. »Was ist das für eine Scheiße, verdammt noch mal?«
Zobel zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, Chef. Ich bringe Ihnen ja nur den Ausdruck der E-Mail. Die Sekretärin hat mich darum gebeten, weil sie Mittag-«
»Halten Sie die Klappe!«, herrschte Lühnsmann. »Das war eine rhetorische Frage, Sie Mondkalb! Welcher der Vermissten stammt denn bitte nicht aus Schleswig-Holstein?«
Zobel zuckte erneut die Schultern. Seine aufgerissenen Augen rollten in den Höhlen hin und her wie lose Murmeln, immer wieder huschte sein Blick zur Tür. Anscheinend hoffte er, bald das Büro verlassen und an seinen Schreibtisch zurückkehren zu dürfen.
»Ich bin nur von Schwachköpfen umgeben!« Lühnsmann rückte auf dem Sessel nach vorne, legte den Ausdruck zur Seite und hämmerte auf die Tastatur ein. Schließlich stieß er ein Schnauben aus. »Kevin Gerber. Verdammt und zugenäht! Stammt das Kind doch tatsächlich aus Sachsen. So eine Scheiße! Jetzt haben wir diesen Snob am Hals!« Er sah Zobel an. »Warum schicken die das BKA und nicht das LKA? Hätte das nicht gereicht? Ich sehe überhaupt keinen Grund, gleich mit dem BKA aufzuwarten, Sie etwa?«
Zobel trat von einem Fuß auf den anderen. »Äh, nein, Chef.«
Lühnsmann kniff die Augen zusammen. »Da ist was im Busch, Zobel. Irgendwas, das wir noch nicht durchschauen. Vielleicht eine Verbindung zu einem Fall im Ausland, oder irgendeiner Sache mit der Regierung. Ansonsten schicken die doch nicht das BKA.« Er hielt inne. »Kommen wir an irgendwelche Infos über diesen«, er warf einen Blick auf den Ausdruck, »von Schallern ran?«
Zobel zog den Kopf zwischen die Schultern und spähte besorgt zur Tür hinüber.
»Gottverflucht!« Lühnsmann hieb mit der Faust auf den Schreibtisch ein, sodass die leere Kaffeetasse einen Satz in die Höhe machte. Mit ihr machte auch Zobel einen Hüpfer. »Raus mit Ihnen! Sehen Sie zu, dass Sie mir nicht mehr unter die Augen treten! Holen Sie Vöge! Und zwar schnell!«
Mit hochgezogenen Schultern eilte Zobel aus dem Zimmer und verschwand zwischen den Schreibtischen des Großraumbüros.
Lühnsmanns Herz raste. Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch. Wie sollte er mit solchen Dösköppen jemals auch nur eine der vermissten Personen auffinden? Die liefen ja an ihnen vorbei, wenn sie direkt vor ihnen standen! Herr im Himmel, irgendwann würde er noch einen Schlaganfall bekommen ...
»Chef? Sie wollten mich sprechen?«
Das war die wohltönende Stimme Vöges. Lühnsmann öffnete probeweise ein Auge, spähte zur Tür hinüber und sah seinen besten Mann leibhaftig vor sich. Er öffnete beide Augen und bedeutete Vöge, einzutreten und sich zu setzen. »Lassen Sie die Tür offen, Klaus. Ich muss die Idioten da draußen im Auge behalten, ansonsten fangen sie noch an, ›Blinde Kuh‹ zu spielen oder so was. Manchmal glaube ich, ich habe es hier wirklich nur mit Kleinkindern zu tun.«
Vöge setzte sich auf den Besucherstuhl, schlug die Beine übereinander und lächelte apart. Mit seinen jungen achtunddreißig Jahren war er bereits Lühnsmanns Stellvertreter, und das hatte er vor allem seinem erstklassigen Abschluss zu verdanken. Anders als Lühnsmann selbst, der sich vom Streifenpolizisten hochgearbeitet hatte, war er ein Studierter, und die waren nicht immer gut in ihrem Job, ganz egal, mit wie vielen Auszeichnungen
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