Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
machen. Ihre Mitbewohnerin gab der Familie Bescheid, welche sich wiederum gegen die Mittagszeit an die Polizei wandte.«
Eissing war eine ziemlich rundliche junge Frau. Auf dem Foto sah sie nicht sehr vorteilhaft aus, was vor allem daran lag, dass sie von unten aufgenommen worden war. Man sah viel zu deutlich ihr Doppelkinn und die übervollen Wangen. Ihr Lächeln war nett und strahlend.
Diesen Vermissten reihten sich weitere drei an, die Loki ihm allesamt auf Bildern zeigte. Nach der vierten Person konnte sich Tim die Namen längst nicht mehr merken. Er nickte aber ergeben und sah sich die Fotos an, immerhin besaß er zumindest ein gutes Gesichtergedächtnis. Wenigstens etwas.
»Yannik Hansen verschwand vorgestern«, schloss Loki schließlich die Beschreibung des siebten Vermissten und hielt das Bild in die Höhe. Ohne das Tablet diesmal runterzunehmen, wischte er mit dem Zeigefinger über den Touchscreen und holte das Nächste auf den Schirm. Tim sah sich jetzt das Foto eines kleinen Jungen an, der auf einer Rutsche saß und mit breitem Grinsen und roten Bäckchen in die Kamera blickte. Die Augen des Kindes blitzten freudig.
»Was? Das Kind da ist auch verschwunden?«, fragte Tim entsetzt.
Loki nickte und nahm das Tablet herunter. »In der Tat. Kevin Gerber, vier Jahre alt, gestern Abend verschwunden.«
»Das ist heftig«, erwiderte Tim. »Gibt es denn keine Verbindung zwischen den Vermissten?«
»Nein, zumindest ist bisher keine solche bekannt. Die Sonderkommission in Kiel arbeitet natürlich daran, doch du weißt, wie unzureichend sie in dieser Hinsicht agieren. Und deshalb, mein Lieber, habe ich mich daran gemacht, ehe du mich dabei gestört hast.« Die graublauen Augen richteten sich auf Tim. »Vipassana, Johnny.«
»Mein Gott!« Tim stöhnte. »Ist ja schon gut! Ich geb’ ja Ruhe! Aber hast du dann nicht wenigstens was für mich zu tun, das irgendwie hilft? Ich könnte bestimmt helfen, irgendwelche Infos raussuchen oder so was.«
Loki hob die Brauen. »Vipassana.«
Tim presste die Lippen aufeinander, sah Loki an, sah weg, sah ihn wieder an. Er hob den Zeigefinger, wollte seinem Cousin eine Verwünschung an den Kopf werfen, ließ es aber und senkte den Finger. Ungestüm wischte er sich mit der Hand die lockigen Haare aus der Stirn, ehe er mit bemüht ruhiger Stimme sagte: »Warum soll ich danach suchen?«
Jetzt zog ein Grinsen Lokis schmale Lippen auseinander. Er neigte den Kopf ganz leicht und sah seinen Cousin damit von schräg unten an. »Eine ausgezeichnete Frage, mein Lieber! Hättest du dich zu Beginn unserer Plauderei danach erkundigt, hätten wir eine Menge Zeit gespart.«
Tim hatte das Gefühl, jeden Augenblick zu explodieren. Mit einer ruckartigen Bewegung sprang er vom Sitz auf wie eine Feder, die aus der Verankerung schnellt. Er machte einen Schritt Richtung Schiebetür, drehte sich um und setzte sich abrupt wieder hin. Dabei bedeutete er Loki mit der Hand, er solle weiterreden.
»Diese Schule, von der du bereits vom werten Herren Hauptkommissar gehört hast, ist äußerst interessant. Ihr Gründer, Gobinda Veden, war ein Anhänger des Buddhismus. Als Filii Iani verfügte er über die Gabe der Imagination, wie du weißt, und er sah eine enge Verbindung zu den buddhistischen Lehren. Aufgrund seiner philosophischen Ansicht rief er die Lehranstalt ins Leben, um allen Filii Iani mit ebendieser Gabe einen Ort zu bieten, an welchem sie ihre Fähigkeiten schulen können.« Loki beugte sich leicht nach vorne. »Und nun kommen wir zum spannenden Teil, nämlich der Lehre: Gobinda Veden schrieb mehrere Abhandlungen über seine Ansichten, äußerst präzise Werke, die über die Gabe der Imagination Aufschluss geben und tief in das Wesen der Meditation eintauchen. Und diese basieren auf der Lehre des Vipassana.« Zufrieden lehnte er sich zurück und musterte Tim.
»Und?«
Für einen Moment wirkte Loki perplex, doch der Ausdruck verschwand und machte dem nichtssagenden Blick Platz. »Hältst du es nicht für ratsam, dich zumindest oberflächlich mit der Lehre der Schule auseinanderzusetzen, in der wir in wenigen Stunden ankommen werden?«
Tim seufzte. Mit einer bedächtigen Bewegung zog er sein Smartphone aus der Hosentasche, hielt es in die Höhe und lächelte hämisch. Während er es anschaltete und die Suchmaschine aufrief, sah er aus den Augenwinkeln, dass Loki seine heißgeliebten Sennheiser-Kopfhörer aus dem Koffer zog, sie sich aufsetzte und an das Tablet anstöpselte. Bevor Loki die
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