Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
Schülersprecher?«
Loki nickte.
»Spinnst du? Es ist gleich zweiundzwanzig Uhr!«
Loki hob die Brauen. »Glaubst du, das Verbrechen wirft einen Blick auf die Uhr und entscheidet, nach zweiundzwanzig Uhr nicht mehr tätig zu sein?«
Tim stieß einen derben Fluch aus. »Und was soll ich ihm sagen? Dass wir Workaholics sind?«
»Meinetwegen.«
»Und woher soll ich wissen, wo ich ihn finde?«
Jetzt war Lokis Blick verächtlich. Er sah Tim an, dann auf die Mappe in seinen Händen hinunter und wieder zu Tim auf. »Du hast recht: Einen Mitarbeiter wie dich finde ich nicht so schnell wieder.«
Tim schlug mit einer heftigen Bewegung die Mappe auf. Er ging die Jahrgänge durch, zog das entsprechende Namensregister heraus und merkte sich Wohnhaus und Zimmernummer des Schülersprechers. Ohne ein weiteres Wort zu Loki griff er nach seiner Jacke und machte sich auf den Weg.
Als er mit dem jungen Mann im Schlepptau zurückkam, hatte Loki aufgegessen und die Kunststoffschale aus dem Imbiss auf das Fensterbrett gestellt. Vornübergebeugt saß er über den Namenslisten der Schule. Er rührte sich nicht, als sie eintraten. Tim bedeutete Chester, sich auf das Bett zu setzen und blieb selbst stehen.
»Das ist Herr von Schallern«, sagte Tim. »Er möchte sich zuerst bei dir entschuldigen, dass er dich zu einer so späten Stunde herbringen lässt. Meistens ist er so mit sich selbst beschäftigt, dass er kaum einen Gedanken an irgendjemand anderen verschwendet.«
»Das ist nicht wahr. Ich denke pausenlos an andere, meistens an Leichen.« Loki richtete sich auf, drehte sich um und lächelte den Schülersprecher an. Es war sein typisches Lächeln, dieses Hochziehen der Mundwinkel, ohne dass irgendein anderer Teil seines Gesichts auch nur ansatzweise lächelte. Er streckte Chester die Hand hin. »Schön, den besten Mann dieser Schule endlich kennen zu lernen.«
Chester ergriff die Hand. »Dito.«
»Chester, es hat einen Grund, warum ich dich so spät noch herkommen lasse. Es geht um deine Gabe.«
»Das dachte ich mir schon.«
»Tatsächlich?«
Er zuckte die Schultern. »Alle interessieren sich immer brennend dafür, weil sie ja so selten ist. Aber ich kann nur immer wieder sagen, dass ich nichts mit ihr anfangen kann. Ich jedenfalls erkenne keine Begabung.«
Loki warf Tim einen Blick zu und wandte sich mit dem Stuhl weiter um, um Chester gegenüberzusitzen. »Mein Kollege hat mir von dir erzählt. Er befand dich für vertrauenswürdig, und auch ich glaube, dass wir dir vertrauen können. Kannst du ein Geheimnis für dich behalten, Chester?«
Jetzt sah der Junge leicht verunsichert aus. Er warf Tim ebenfalls einen Blick zu und musterte anschließend Loki. »Geheimnisse sind dazu da, verbreitet zu werden. Nichts ist besser als ein Geheimnis, das man unter vorgehaltener Hand herumtuscheln kann.« Er grinste.
Loki erwiderte das Grinsen nicht. »Das ist kein Spiel, mein Lieber.« Er drehte sich zum Schreibtisch um, zog einen etwas zerknitterten Zettel hervor und reichte ihn Chester. »Das ist eine Verschwiegenheitserklärung. Darin steht, dass du nichts, was wir besprechen, ausplaudern darfst. Lies dir vor allem genau durch, was geschieht, wenn du es doch tust.« Loki hielt ihm einen Stift hin. »Und dann unterschreibe.«
Chester war jetzt blass. Er nahm den Stift und las sich die Erklärung durch. Nach ein paar Sekunden hob er den Blick. »Sie wollen mich verarschen.«
Loki lächelte. »Glaubst du, die Schulbehörde schickt zwei Mann, um eine reguläre Inspektion durchzuführen? Komm schon, Chester. Du bist doch ein kluger Junge.«
»Sie stellen mich vor Gericht, wenn ich zuwiderhandle.« Chester warf Tim einen Hilfe suchenden Blick zu, doch dieser zuckte nur die Schultern. Er sah wieder Loki an. »Ich bin Schülersprecher an dieser Schule. Die Schüler vertrauen mir. Und Sir Veden tut das auch. Ich mag diesen Direktor. Ich werde das nicht unterschreiben.« Er legte Zettel und Stift neben sich auf das Bett.
»Du wirst unterschreiben, und zwar jetzt. Ich verspreche dir, dass nichts passieren wird, das dich in eine moralische Zwickmühle bringt.«
»Wie können Sie da so sicher sein?«
»Ich bin es. Frag Herrn Jung, wie oft ich mich schon getäuscht habe.«
Chester sah Tim an. Der zuckte erneut die Schultern, in seinem Gesicht stand Unmut. Ohne eine eindeutige Antwort zu geben, senkte Tim den Blick und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.
Der Schülersprecher schüttelte den Kopf und grinste spöttisch.
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