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Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Titel: Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Meier
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dem Leichensack und begann, den Reißverschluss zu öffnen. Die Pathologin wollte ihn daran hintern, doch er warf ihr nur einen knappen Blick zu und machte weiter.
    »Wie lange ist sie tot?«, fragte er dabei.
    »Das ist nicht so leicht zu beantworten. Ihr Herz scheint gearbeitet zu haben, bis sie heute Morgen erschossen wurde. Ich sagte Ihnen ja, dass wir noch nicht fertig sind.«
    Tim hielt den Blick starr auf die Pathologin gerichtet. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Loki den Reißverschluss bis zu den Füßen aufgezogen hatte.
    »Sie wurde doch heute Morgen erschossen«, murmelte er in seinen Jackenärmel. »Damit ist sie seit heute Morgen tot. Oder nicht?«
    Die Pathologin richtete die blauen Augen auf ihn. »Nun ja, einige ihrer Gedärme lassen eine andere Schlussfolgerung zu. Sehen Sie selbst.« Sie beugte sich hinunter und verschwand damit aus Tims Blickfeld.
    Unwillkürlich folgten seine Augen ihrer Bewegung. Tim sah den offenen Brustkorb, die Rippen, die von einem silberglänzenden Werkzeug aufgespreizt waren und wie Monolithe nach oben ragten, den Y-Schnitt bis zum Bauchnabel hinunter, die frei vor ihm liegenden Innereien, die blasse Haut und den stierenden Blick der Leiche mit dem offenen Mund, aus dem die Zunge schwarz hervorquoll – und dann drehte er sich um und übergab sich.
    Die Pathologin war sofort bei ihm und reichte ihm einen Eimer. Sie zog einen Stuhl heran und half Tim, sich zu setzen.
    »Keine Bange, das wischen wir schon auf«, sagte sie, tätschelte seine Schulter und wartete, bis er sich wieder aufrichten konnte. Mit einem freundlichen, mitfühlenden Lächeln, das nicht das geringste Anzeichen von Spott erkennen ließ, zwinkerte sie ihm zu. »Sie sind heute nicht der Erste, der diesem Anblick nicht standhält. Ich will ja nichts verraten, aber ich sage nur: Lühnsmann.« Damit grinste sie breit und drehte sie sich wieder um.
    »Ich empfehle noch immer die Meeresfrüchte«, sagte Loki leise. Und an die Pathologin gerichtet: »Ich bin kein Fachmann, gnädige Frau, doch ich müsste mich schon arg irren, wenn dies hier nicht Anzeichen für ein Ableben wären, das ein paar Tage zurückliegt, richtig?«
    Tim bewegte sich keinen Zoll weit und hatte das auch nicht vor. Er begnügte sich damit, mit dem Rücken zum Seziertisch sitzen zu bleiben und das Gespräch mitzuhören.
    »Für einen Laien nicht schlecht«, erwiderte die Pathologin vergnügt. »Hätte ich allein an der chemischen Verwesung den Todeszeitpunkt festsetzen müssen, hätte ich gesagt, dass der Exitus vor ein paar Tagen eingetreten ist. Der programmierte Zelltod jedenfalls begann vor mehr als zwei Tagen.«
    »Können Sie das präzisieren?«
    »Anhand der genannten Merkmale tendiere ich zu einem Todeszeitpunkt vor etwa drei, vier Tagen. Aber nageln Sie mich nicht darauf fest, das ist nur eine Prognose. Die genaue Analyse wird ein wenig dauern.« Sie schwieg einen Augenblick. »Für diese Theorie spricht übrigens auch der Zustand des Gehirns, das derzeit von den Spezialisten untersucht wird. So viel kann ich bereits jetzt verraten: Das MRT zeigt eine Reihe erheblicher Läsionen im Frontallappen.«
    »Und das bedeutet?«
    »Der Frontallappen oder der Motorkortex ist zuständig für Bewegungen, um es ganz simpel auszudrücken. Er lenkt nicht nur den Körper, sondern entscheidet auch darüber, welche Bewegungen wann ausgeführt werden. Es finden also auch kognitive Prozesse im Frontallappen statt.«
    »Lassen Sie mich raten: Eine solche Läsion vernichtet nicht die Intelligenz, schließt aber schlussfolgerndes Denken aus?«
    »Richtig.« Die Stimme der Pathologin klang aufgeregt. Und hörte Tim da nicht auch ein Lächeln heraus? »Ein Patient mit einer solchen Verletzung weist keine Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung auf, doch auf aktuelle Ereignisse reagiert er unter Umständen völlig verrückt. Zumindest in den Augen anderer. Die sozialen Verhaltensweisen dürften sich grundlegend verändern, sobald diese Schädigung auftritt. Er macht gewissermaßen eine Persönlichkeitsveränderung durch. Aggression und Gewaltbereitschaft nehmen zu. Und was man auch nicht vergessen darf: Er ist sich über die Konsequenzen seines Handelns sehr wahrscheinlich nicht bewusst.« Sie räusperte sich. »Für einen Polizeibeamten kennen Sie sich auf diesem Gebiet überraschend gut aus.«
    »Ich habe die Neurowissenschaft in den letzten Jahren im Auge behalten. Mir ist die neueste Theorie, dass Serienmörder genau diese Schädigungen im vorderen

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