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Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Titel: Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Meier
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musst nicht weiter zurück‹, sprach Hora also, da Chest nicht auf sein Anliegen einging. ›Du weißt, dass Imagination nichts ist, das man einfach so macht. Das ist nicht wie Kacken, Chest. Du kannst nicht eben mal auf das Klo gehen und eine Erinnerung ausscheißen.‹ Er lachte über seine Worte. Anschließend wurde seine Stimme ernst und bestimmt, fast feierlich. ›Dein Bruder im Geiste bittet dich um ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht.‹
    Chest starrte die Tür an. Er wusste, was das bedeutete. Dein Bruder im Geiste – das war eine der höchsten Ehrerbietungen, die Hora ihm geben konnte. Hora wurde nie müde, ihm klarzumachen, dass er der Mentor und Chest der Schüler war, und die Augenblicke, in welchen er ihn als Bruder bezeichnete, waren so rar wie klarer Verstand bei Süchtigen.
    Chest ballte die Fäuste im Schoß und biss die Zähne aufeinander. Es folgten mindestens zwei schweigsame Minuten.
    ›Chest‹, sagte Hora schließlich, noch immer formell, jedes Wort betonend. ›Du weißt, ich bin dein Freund, dein Bruder. Ich spreche nun als dieser zu dir. Vertraust du mir, Bruder?‹
    Das ideelle Gewicht im letzten Satz wog schwerer als es ein stoffliches jemals hätte aufwiegen können. Chest spürte die Spannung zwischen ihnen nicht nur, er konnte ihre Übermacht bereits als feines Knistern in der Luft sehen. Es war eine elektrische Spannung, ein kleines, blaues Gewitter, das unscheinbar aussah und doch unendlich machtvoll war.
    Vertraust du mir, Bruder?
    Er hatte keine Antwort. Als ihm diese Tatsache bewusst wurde, verdichtete sich die Anspannung zwischen ihnen. Ihm war klar, dass es zu einem bombastischen Gewitter kommen würde, wenn er nicht bald reagierte. Und er wusste auch, dass ihn dieses Gewitter unter Umständen davonreißen, verbrennen und überschwemmen würde. Chest war so einigem gewachsen, doch einer Auseinandersetzung mit Hora? Dieser Ausgang war so ungewiss wie sonst nichts.
    Er hatte Hora Vaira stets bedenkenlos vertraut. Wenn er aufrichtig zu sich selbst war, dann hatte er ihm schon damals bedingungslos vertraut, als er seine Stimme zum ersten Mal in seinem Kopf vernommen hatte. Warum also jetzt plötzlich nicht mehr? Was war in ihn gefahren?
    Chest kannte die halbe Antwort. Sie war in ihn gefahren. Die Erinnerung war zurückgekehrt, die Erinnerung an dieses Mädchen. Und irgendeine Tatsache, die er womöglich erst in einer späteren Imagination erfahren würde, war es, die ihn an Hora zweifeln ließ.
    Das aufkommende Gewitter zwischen ihnen wurde stärker. Ein blaues, knisterndes Feuer lag in der Luft, schien feine Staubkörnchen zum Glühen zu bringen, ehe sie auseinanderstoben und in winzigen, für einfache Menschen unsichtbaren Aschehäufchen zu Boden rieselten.
    Ihm war klar, dass nur er dieses Feuer sehen konnte. Seines Wissens gab es niemanden sonst auf dieser Welt, der dieses Talent besaß. Und trotzdem wusste er, dass es keine Einbildung oder Versinnbildlichung war. Es war eine Tatsache, so unumstößlich wie die Luft, die er atmete und die ihn am Leben erhielt. Es war durchaus möglich, dass dieses Feuer – wenn er nicht bald etwas dagegen unternahm – zu einer für alle sichtbaren Flamme werden würde, die ihn oder Hora – oder beide –  in Brand steckte.
    Während er diesem blauen Gezüngel vermeintlich teilnahmslos zusah, rollten seine Gedanken weiterhin durch seinen Kopf. Er machte nicht den Versuch, Hora abzuschirmen. Sein ›Bruder im Geiste‹ sollte ruhig sehen, wie sehr er kämpfte und was ihn bewegte. Sie waren eine zu lange Zeit einen zu langen, beschwerlichen Weg zusammen gegangen, als dass er seinem Kompagnon etwas verheimlichen konnte.
    Allerdings wusste ein Teil von Chest – ein sogar ihm selbst verborgener Teil, der mit halb geöffneten Augen schlummerte wie eine Katze, die sich schlafend stellt –, dass dies nur die halbe Wahrheit war. Doch das war ihm in diesem Moment nicht klar, offenbarte sich allenfalls als eine vage Ahnung, ebenso, wie ein Blinder nicht wusste, wie mickrig ausgebildet das Gehör eines Sehenden im Vergleich zu seinem war.
    ›Vertraust du mir, Bruder?‹, wiederholte Hora, und dieses Mal war seine Stimme fordernder. Der Unterton, den manch einer als drohend bezeichnet hätte, erschien Chest vielmehr mahnend. Erinnere dich deiner Aufgabe, schien dieser Unterton zu sagen.
    Das Feuer zwischen ihnen loderte auf, während Hora seine Gedanken übermittelte. Bei jedem Wort-Impuls schien ein tiefdunkler Wulst durch die Luft auf Chest

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