Venus 01 - Piraten der Venus
ging nur die Phantasie mit mir durch. Auf jeden Fall war mir gar nicht wohl zumute, denn ich war völlig unbewaffnet. Ich hatte es mir zur Angewohnheit gemacht, niemals eine Waffe zu tragen. Zwar hatten mir meine Freunde vor dem Abflug ein ganzes Arsenal aufdrängen wollen, aber ich hatte den Standpunkt vertreten, daß es meinen friedlichen Absichten nur förderlich sein könnte, unbewaffnet auf dem Mars zu erschei nen. Wenn ohnehin ein kriegerischer Empfang auf mich wartete, konnte ich auch mit meinen Waffen wenig ausrichten; wie durfte ich hoffen, als einzelner eine ganze Welt zu erobern?
Ober mir krachte plötzlich ein schwerer Körper durch das Blatt werk, und entsetzliches Schnauben und Kreischen störte die Stille des Waldes. Ich machte mir entsetzt klar, daß ich es nicht nur mit einem Wesen zu tun hatte. Wurde ich denn von sämtlichen Be wohnern dieses venusianischen Waldes verfolgt?
Vielleicht waren meine Nerven überreizt, was im Grunde ver ständlich gewesen wäre. Jedenfalls brachte ich noch die Vernunft auf, daran zu denken, daß zwar Geräusche in der Nacht oft viel in tensiver an unser Ohr dringen, daß das wilde Geknurre und Ge jaule aber zweifellos von zwei Kreaturen erzeugt wurde, die im mer näher kamen. Natürlich wußte ich nicht, ob es die beiden Wesen auf mich abgesehen hatten, doch in mir erhob sich eine leise Stimme, die zur Vorsicht mahnte.
Ich hätte mich wohler gefühlt, wenn ich den Verbindungssteg erreicht hätte und in der Lage gewesen wäre, den Angriff fest auf beiden Füßen stehend zu erwarten. Aber ich konnte mich nicht einfach fallenlassen, zumal unter mir die stützenden Äste fehlten. Schließlich dachte ich an das Seil, das ich mitgebracht hatte, löste es von meiner Hüfte und warf es über den Ast, auf dem ich saß. Mit den Händen hielt ich beide Enden fest und machte Anstalten, mich hinabzuschwingen. Plötzlich verstummten die entsetzlichen Geräusche über mir; dafür ertönte lautes Rascheln. Offensichtlich stieg das unbekannte Wesen jetzt zu mir herab. Gleich darauf begannen sich die Äste unter seinem Gewicht zu biegen.
Ich klammerte mich an dem Seil fest und ließ mich langsam nach unten gleiten, bis ich auf dem Verbindungssteg Fuß gefaßt hatte. Im gleichen Augenblick wurde die Stille des Waldes von einem gewaltigen Schrei unterbrochen. Ich sah hastig hoch und erblickte ein Wesen, das sich auf mich stürzen wollte, und dahinter einen unbeschreiblich scheußlichen Kopf. Ich erhaschte nur einen kurzen Blick darauf und konnte nur erkennen, daß es sich um ei nen Kopf mit zwei Augen und einem Maul handelte – Sekundenbruchteile später wurde er bereits zurückgezogen und verschwand zwischen den Blättern.
Vielleicht nahm ich dieses Bild zunächst überhaupt nur unbewußt auf, denn die Szene war nichts als ein Abdruck auf der Re tina meines Auges, während das andere Ungeheuer im Sprung über mir schwebte; auf jeden Fall prägte es sich mir derart ins Ge dächtnis ein, daß ich später noch oft daran denken mußte.
Ich sprang zurück, um dem angreifenden Monstrum auszuwei chen, wobei ich ein Ende des Seils festhielt – ein völlig unbewuß ter, mechanischer Griff, der sich jedoch zu meinem Vorteil aus wirken sollte. Jedenfalls zog ich das Seil bei meinem Sprung mit.
Das Wesen verfehlte mich und setzte einige Schritte von mir entfernt mit allen vieren auf, duckte sich leicht verdutzt zusammen und ging zum Glück nicht sofort wieder zum Angriff über. So hatte ich Gelegenheit, wieder zu mir zu kommen und langsam zu rückzuweichen, während ich gleichzeitig das Seil mit meiner Rech ten aufrollte. Oft ist man außerstande, gerade solche einfachen und nebensächlichen Dinge zu erklären, die man in Augenblicken der Not oder Erregung tut; doch ich bin der Meinung, daß sie einem wahrscheinlich vom Unterbewußtsein aufgezwungen werden, das dem Drang der Selbsterhaltung folgt. Möglicherweise wirken sie sich nicht immer positiv aus, da sich das Unterbewußtsein ebenso wie der bewußte Geist irren kann. Jedenfalls kann ich mir den unbestimmten Drang, der mich veranlaßte, das Seil festzuhalten, nicht anders erklären. Und dieses Seil war der dünne Faden, an dem mein Leben hängen sollte.
Schweigen hatte sich über die unheimliche Szene gelegt. Nach dem letzten Schrei des entsetzlichen Wesens, das sich in die Dun kelheit zurückgezogen hatte, war es still geblieben. Das Ungeheu er, das sich vor mir duckte, schien verwirrt zu sein. Ich bin inzwi schen zu der Überzeugung
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