Venus 01 - Piraten der Venus
zu sein – und so war ich nicht auf dieses vollkommene Gesicht gefaßt gewesen, auf das unvergleichliche Zusammenspiel zwischen Hautfarbe und Ge sichtszügen, zwischen Zartheit und Intelligenz. Aber warum war sie davongelaufen, als ich ihr zulächelte?
Vielleicht schämte sie sich, daß ich sie überrascht hatte, wie sie mich beobachtete. Das wäre nach allem nur menschlich gewesen – auch hier auf der Venus, wo die Menschen offenbar ebenso dach ten, fühlten und handelten wie wir auf der Erde. Ich fragte mich, ob das herrliche Geschöpf auch in anderer Hinsicht den irdischen Mädchen entsprach, aber der Gedanke erschien mir zu profan. War sie jung oder alt? Was machte ich, wenn sie siebenhundert Jahre alt war?
Ich ging in mein Zimmer und bereitete mir ein Bad. Als ich in den Spiegel blickte, der in meinem Badezimmer hing, wußte ich plötzlich, warum das Mädchen zurückgeschreckt war – mein Bart! Er war jetzt fast einen Monat alt und konnte durchaus jemanden in Furcht versetzen, der in seinem Leben noch keinen Bart gesehen hatte.
Ich fragte Danus um Rat, der einen kurzen Augenblick ver schwand und mir ein Gefäß mit Salbe in die Hand drückte.
»Reiben Sie damit Ihr Gesicht ein«, sagte er. »Aber achten Sie darauf, daß Sie nicht Ihre Augenbrauen oder Ihr Kopfhaar be rühren. Nach zwei Minuten waschen Sie das Mittel wieder ab.«
Ich trat in den Waschraum und öffnete den Krug, dessen Inhalt fürchterlich stank. Ich folgte Danus’ Anweisungen, wusch mein Gesicht und stellte fest, daß mein Bart verschwunden war.
»Sie sehen ja gar nicht schlecht aus«, begrüßte mich Danus. »In der fabelhaften Welt, von der Sie mir erzählt haben – wachsen da allen Menschen Haare im Gesicht?«
»Fast allen«, erwiderte ich, »aber in meinem Land rasieren sich die meisten Männer täglich.«
»Ich hätte aber gedacht, daß sich eher die Frauen rasieren wür den«, sagte er. »Eine Frau mit Haaren im Gesicht wäre für einen Amtorier nichts.«
»Unsere Frauen haben doch gar kein Haar auf dem Gesicht«, sagte ich.
»Also nur die Männer? Was für eine seltsame Welt!«
»Wenn die Amtorier den Bartwuchs nicht kennen – wozu wird dann die Salbe benutzt, die Sie mir gegeben haben?« fragte ich.
»Das Mittel dient medizinischen Zwecken. Bei der Behandlung von Schädelwunden ist es nötig, das Haar schnell und nachhaltig zu entfernen. Die Salbe ist dafür gut geeignet und verzögert das Nachwachsen neuer Haare für einige Zeit.«
»Aber es wird doch nachwachsen?« fragte ich.
»Ja, wenn Sie die Salbe nicht zu oft benutzen«, erwiderte er.
»Wie oft?«
»Wenn Sie sie sechs Tage lang täglich nehmen, wächst das Haar nicht mehr nach. Wir haben früher auf diese Weise die Köpfe überführter Verbrecher behandelt – zur Warnung für die Allge meinheit.«
»Übrigens habe ich im Garten rechts von meiner Veranda ein hübsches Mädchen gesehen. Wer ist sie?«
»Sie ist ein Mädchen, um das Sie sich nicht kümmern dürfen«, erwiderte er ernst. »An Ihrer Stelle würde ich die Tatsache, daß ich sie gesehen habe, sofort vergessen. Sind Sie auch von ihr ge sehen worden?«
»Sie hat mich gesehen«, erwiderte ich.
»Was hat sie gemacht?« fragte er ernst.
»Sie schien sich vor mir zu fürchten und lief davon.«
»Vielleicht sollten Sie sich künftig mehr auf der anderen Seite der Veranda aufhalten«, schlug er vor.
Sein Tonfall schloß jede weitere Diskussion aus, und ich ließ das Thema fallen. Aber ich war verwundert. Offensichtlich hatte ich es hier mit einem vepajanischen Geheimnis zu tun, dem ersten wirklichen Geheimnis, auf das ich bisher gestoßen war und das natürlich meine Neugier erweckte. Warum sollte ich das Mädchen nicht ansehen? Gab es noch andere Mädchen auf dieser Welt, die ähnlich tabu waren? Es ging mir durch den Kopf, daß sie vielleicht die Priesterin eines Ordens war, aber diese Theorie erschien mir unhaltbar, denn wie ich annahm, hatten die Vepajaner überhaupt keine Religion. Jedenfalls hatte ich bei meinen Gesprächen mit Danus noch nicht feststellen können, ob sie überhaupt an eine Gottheit glaubten. Ich hatte versucht, ihm einige unserer irdischen Religionen zu beschreiben, aber er konnte ihre Bedeutung und ihren Sinn ebensowenig begreifen wie den Aufbau des Sonnensystems oder des Universums.
Ich hatte das Mädchen einmal gesehen und wollte sie natürlich wiedersehen, und nachdem mir das nun verboten war, verstärkte sich mein Wunsch, ihre Schönheit zu bewundern und mit ihr zu
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