Venus allein zu Haus
sich nicht eine einzige Faltencreme, kein Ratgeber mit dem Titel »Wie entkomme ich der Singlefalle« oder ähnlich unsensible Geschenke. Das Essen ist ein Traum, die Stimmung ist ausgelassen und feuchtfröhlich. Ich trinke viel zu viel, aber heute lasse ich mal fünfe gerade sein. Auch wenn es schlecht für die Haut ist, mit der geht es ja in meinem Alter nun sowieso steil bergab. Kurz nach Mitternacht stoppt plötzlich die Musik und Bernds Stimme dröhnt durch die Wohnung.
»Alle mal ins Wohnzimmer kommen, bitte.« Dabei scheint er mit einem Löffel eins der teuren Weingläser zu malträtieren. »Bitte, kommt doch mal her, ich habe etwas zu sagen.« Gemeinsam mit Lara und Flo schwanke ich aus
der Küche in Richtung Wohnzimmer, wo sich in der Tür eine kleine Traube gebildet hat. Wenige Minuten später stehen fünfunddreißig Personen dicht gedrängt um Bernd herum. Ich betrachte ihn stolz. Seit der Verwandlung sieht er wirklich besser aus. Zu blöd, dass er mit dieser Leila einfach nicht richtig in die Gänge kommt. Ich kann mir das gar nicht erklären. Die sollte ihn jetzt mal sehen, wie er dasteht im grauen Kordanzug mit dem rosa Hemd darunter. Sie würde dahinschmelzen. Leider hat er es ja wieder nicht geschafft, sie auf diese Party mitzunehmen, obwohl ich ihm dringend dazu geraten habe. Ich hätte ihm in diesem Fall sogar gestattet, erst verspätet auf meiner Geburtstagsfeier zu erscheinen, um vorher in Ruhe mit ihr Essen gehen zu können. Und der Plan für danach, laut Dating-Regel Nummer acht, wäre eine Party mit lauter netten Leuten gewesen. Perfekt! Aber nein.
»Lenchen, all deine gut aussehenden Bekannten, was, wenn sie einen von denen mehr mag als mich?« Dass die Frau bei der InStyle arbeitet und von früh bis spät nichts anderes sieht als gut aussehende Menschen, schien ihm kein schlagkräftiges Argument zu sein. Na schön.
Ein weiteres Mal schlägt Bernd mit dem Löffel auf das arme Weinglas ein, das ihm daraufhin von einem besorgt blickenden Nick entrissen wird.
»Könnt ihr nicht mal leise sein, hier will jemand was sagen«, fleht er in Richtung Menge. Und tatsächlich, das Gemurmel verstummt und alle blicken aufmerksam Bernd an, der sich verlegen räuspert. Dann schaut er suchend in die Runde und bleibt mit seinem Blick an mir haften.
»Lench … ich meine, Helen, komm doch mal bitte zu mir nach vorne«, sagt er feierlich und mit sonorer Stimme. Kichernd stolpere ich durch die sich bildende Gasse auf ihn zu. Er legt den Arm um mich und gibt mir
einen Knutscher auf die Wange. »Ich glaube, ich spreche im Sinne aller, wenn ich sage, dass wir froh sind, heute hier zu sein und mit dir deinen Geburtstag zu feiern.« Zustimmender Beifall. »Und ich möchte dir sagen, dass ich dich jeden Tag vermissen würde, wenn du nicht geboren worden wärest. Ich wünsche dir nur das Beste!«
»Danke schön! Ich freue mich auch, dass ihr hier seid«, bekomme ich noch einigermaßen klar heraus und verbeuge mich nach allen Seiten. Eigentlich ist es doch ganz lustig, Geburtstag zu haben. Gerade will ich mich wieder ins Getümmel stürzen, da hält Bernd mich am Ärmel zurück. Was denn noch?
»Moment mal, ich bin noch nicht fertig«, sagt er lächelnd. »Es ist nämlich gut möglich, dass Helen und ich, einem sehr alten Versprechen folgend, in diesem Jahr heiraten werden. Ja, ihr habt richtig gehört«, wendet er sich der Gruppe um uns herum zu, während ich mit offenem Mund dastehe. Um uns herum herrscht Schweigen. Und ich verstehe ehrlich gesagt nicht so ganz, was das eigentlich soll.
»Ääääh … im Ernst?«, fragt schließlich jemand aus der zweiten Reihe.
»Auf der Skifreizeit in der zehnten Klasse, im zarten Alter von fünfzehn und sechzehn Jahren, begann diese ungewöhnliche Liebesgeschichte«, beginnt Bernd vergnügt zu erzählen wie ein alter Großvater, der von seinen Enkeln umringt in seinem Schaukelstuhl sitzt. »Glühweinselig sa ßen wir beide eines Abends in der Hütte und gaben uns das Versprechen, einander zu heiraten, sofern wir im greisen Alter von dreißig noch niemanden gefunden hätten.« Ach du Schande, und was er da erzählt, das stimmt auch noch. Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich sehe uns zusammen an dem rustikalen Holztisch sitzen, mit unzähligen leeren
Glühweinbechern vor uns. Bernd trug einen dunkelbraunen Fleecepullover und Jeans. Er muss sich den Hintern abgefroren haben, aber es war natürlich total cool, in Jeans Ski zu laufen. Ich dagegen in meinem pinkfarbenen Overall
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