Venus allein zu Haus
gewöhnlichen Treffen. Sondern ein Date.
9.
Was zieh ich an? Was zieh ich nur an? Ratlos durchforste ich meinen provisorischen Kleiderschrank. Ich stehe vor einem schier unlösbaren Problem. Was zieht man an zu einem Date mit seinem besten Freund, der plötzlich mit einem zusammen sein will, mit dem man aber ganz und gar nicht zusammen sein, sondern den man nur als seinen besten Freund zurückhaben will. Der einen mit Pickeln und Schlabberklamotten kennt, weil er eben nicht wirklich ein Mann ist. Für mich jedenfalls nicht. Halt! Das stimmt ja nicht ganz. Vor meinem inneren Auge erscheint Bernd in seiner Schießer-Feinripp und mit sonst gar nichts an und mit Verlaub gesagt: Der Typ ist eigentlich mehr Mann als alle meine vorherigen Kerle zusammen. Nicht, dass er jetzt zu denen gehören würde. Meinen Kerlen. Ich bin schon völlig verwirrt. Während ich mir lustlos ein Oberteil nach dem anderen vor den Körper halte, um es dann mit einem Kopfschütteln wieder auf die Stange zu hängen, frage ich mich zum wiederholten Male, was das Ganze eigentlich soll. Ich meine, was ist denn das bitte schön für eine Verabredung, bei der mir noch nicht einmal die
Vorbereitungen dafür Spaß machen? Ich hatte in meinem Leben eine Menge Dates. Fünfundsiebzig Prozent davon waren eine Katastrophe. Aber das Anziehen und Schminken und Bangen und Warten und Hoffen (dass dieses Mal zu den anderen fünfundzwanzig Prozent zählen wird), das war eigentlich immer toll. Und jetzt? Wozu soll ich mich schön machen? Damit ich ihm gefalle? Ich will ihm doch gar nicht gefallen. Sophia hinter mir bricht in schallendes Gelächter aus. Na schön, Korrektur: Eigentlich will ich natürlich jedem gefallen. Nur nicht so. Für eine Freundschaft gefalle ich Bernd ja ohnehin anscheinend viel zu gut. Vielleicht sollte ich mich in irgendein gelb-beiges sackartiges Gewand hüllen? Selbstverständlich besitze ich überhaupt nichts derartiges. Steht mir nämlich nicht. Seufzend greife ich nach meinem Jeansoverall. Hohe Schuhe, Gürtel, passende Handtasche und Schmuck. Fertig. Ein bisschen Make-up, und schon um zwanzig nach sieben bin ich startklar. Unter normalen Umständen undenkbar. Von meinem Fenster aus beobachte ich ein Taxi, das vor der Tür hält. Na logisch, mich konnte er ja nun schlecht um meinen Wagen bitten. Bernd steigt aus, einen Strauß weißer Rosen in den Händen. Du meine Güte. Neun Minuten vor halb. Achteinhalb Minuten sehe ich ihm beim Warten zu, bis er um Punkt sieben Uhr dreißig den Klingelknopf drückt. Was ist er doch für ein gelehriger Schüler. Auf dem Weg zur Tür verfluche ich den Tag, als ich Bernd die neun Benimmregeln fürs Date beigebracht habe. Neun Punkte weniger, die ich in meiner Argumentation anbringen kann, dass wir nun wirklich ganz und gar nicht zueinander passen.
Ich öffne die Tür und Bernd lächelt mich an.
»Hallo Lenchen«, sagt er und hält mir den Blumenstrauß hin.
»Hallo«, sage ich auch und dann: »Danke.« Er betrachtet mich von oben bis unten.
»Toll siehst du aus.«
»Du auch.« Tut er wirklich. Kein Wunder. Das Outfit habe ich ja auch zusammengestellt. Für sein erstes Date mit Leila. Auf dass es ein voller Erfolg würde. Dann nimmt er meine Sommerjacke von der Garderobe und hilft mir hinein. Er lässt mir den Vortritt und wir steigen die Treppe hinunter, raus aus dem Haus und rein in das wartende Taxi, wo er mir selbstverständlich die Tür aufhält. Schweigend sitzen wir nebeneinander auf der Rückbank, während uns der Fahrer in Richtung »Valentino’s« bringt. Keine große Überraschung.
Hier sitze ich nun also. Beim Date mit einem Mann, der eigentlich alles richtig macht und das sich doch total falsch anfühlt.
»Und? Wie war dein Tag?«, fragt mich Bernd lächelnd.
»Gut.«
»Was hast du denn so gemacht?«
»Nichts besonderes. Das Übliche.«
»Und was ist das?«
»Häh?«
»Na, das Übliche.« Ich denke kurz nach, dann beuge ich mich zu ihm hinüber:
»Sag mal, tun wir jetzt auch noch so, als wüssten wir nichts voneinander?«
»Na klar«, strahlt er mich an, »ich möchte doch zu gerne mal sehen, wie sehr du dich verbiegst, wenn du an einem Kerl Interesse hast.« Aber ich habe doch gar kein Interesse an ihm, hat er das denn nicht kapiert? Schon immer ein gesundes Selbstbewusstsein gehabt, der Gute.
»Ich verbiege mich überhaupt nicht«, lüge ich, »und
außerdem ist das doch großer Schwachsinn, was wir hier machen. Du kennst mich in- und auswendig. Ich dachte, du
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