Venus allein zu Haus
merkwürdiges Date hatte.« Ich grinse zaghaft. Er auch. Dann drückt er mich wieder fest an sich.
»Warum hast du eigentlich niemals Glück mit den Männern, Lenchen? Irgendwas machst du falsch.«
Ja, irgendwas mache ich ganz offensichtlich falsch. An diesem Abend liege ich in meinem provisorischen Bett und
starre an die Decke. Mein Magen knurrt laut und vernehmlich. Dotty, die ihren Kopf darauf gebettet hatte, miaut empört und verzieht sich beleidigt an mein Fußende. Die schöne Lasagne. Und das noch viel schönere Himbeertiramisu. Ich konnte keinen Bissen davon herunterkriegen. Wieso nicht?
»Das weißt du ganz genau«, sagt Sophia und schaut mich vorwurfsvoll an. Hey, die soll nicht so gucken. Das bringt gar nichts.
»Du willst Therapeutin sein«, frage ich sie patzig, »und was ist dein Vorschlag? Komm, iss doch einfach? Oder was? So einfach geht das aber nicht!«
»Doch, so einfach wäre das gegangen.« Ich schnappe hörbar nach Luft.
»Ich bin eine Mager …« In diesem Moment dämpfe ich die Stimme. Nicht, dass Michael und Nick noch wach sind und mich vom Schlafzimmer aus hören. Das wäre mir echt peinlich, wo ich doch mit Nick nächtelang über gesunde Ernährung gesprochen und erklärt habe, dass einzig eine ausgewogene vegetarische Vollwertkost mich zu der halben Portion gemacht hat, die ich heute zum Glück bin. »Ich bin eine Magersuchtspatientin«, wispere ich deshalb empört, »das hat tiefe psychische Ursachen.« Jawoll!
»Natürlich«, sagt Sophia gelassen, »geliebt und umsorgt werden wollen. Nicht erwachsen werden und Verantwortung für das eigene Leben übernehmen müssen.« Ja doch, ich weiß das alles. Habe nicht umsonst über zehn Jahre äußere Therapie hinter mich gebracht. Von zahlreichen Rückfällen begleitet. Und ich weiß noch, als mein Vater eines Tages meine Magersucht registrierte (da wog ich nur noch vierzig Kilo und war halb tot) und sich ganz augenscheinlich Sorgen um mich machte, da war das einer der schönsten Tage meines Lebens. Klingt verrückt. Ich weiß.
Heute weiß ich, dass ich seine Liebe nicht gewinnen kann, auch wenn ich bis auf die Knochen abmagere. Ich weiß, dass er selber schwere seelische Probleme hat und deshalb einfach nicht fähig ist, mir seine Liebe zu zeigen. Die, laut Sophia, aber irgendwo in ihm drin vorhanden ist. Na ja, darüber lässt sich streiten. Heute bin ich erwachsen. Drei ßig Jahre alt. Ich überlebe. Ob mit der Liebe meines Vaters oder ohne. Aber manchmal kommen eben diese Rückfälle. Wie heute. Ärgerlich, aber vorübergehend. Beschließe ich und drehe mich auf die Seite. Jetzt möchte ich schlafen und morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.
»Euer Date, das ist ja wohl nicht ganz so gut gelaufen, oder?«, fragt Sophia.
»Ich will jetzt schlafen«, knurre ich, »nein, ist es nicht. Aber am Schluss war’s ja dann doch noch ganz nett.«
»Er hat sich das bestimmt anders vorgestellt«, fährt sie fort.
»Ja, ja, wahrscheinlich. Gute Nacht.«
»Bestimmt war er ziemlich aufgeregt vorher. Kein Wunder, so ein erstes Date, das ist ja schon was ganz Besonderes. Die Blumen, das tolle Essen. Er muss wirklich sehr verliebt in dich sein.« Unwillig drehe ich mich zu Sophia um. Sie liegt neben mir auf dem Rücken, starrt an die Decke und sinniert vor sich hin.
»Halt die Klappe«, fahre ich sie an, »das ist doch bloß eine Phase. Lächerlich.« Damit werfe ich mich wieder auf die andere Seite und stopfe mir das Kopfkissen zurecht.
»Die ja jetzt zum Glück vorbei ist«, vollendet Sophia. Eben. Kann ich jetzt schlafen? »Aber was, wenn nicht? Dann hätte er sich den Abend bestimmt anders vorgestellt. Bestimmt hätte er dich gerne geküsst. Oder ein Zeichen bekommen, dass seine Hoffnungen nicht völlig umsonst sind.«
»Immerhin durfte er mich umarmen«, murmele ich schon im Halbschlaf.
»Ja, um dich zu trösten«, fährt Sophia fort. Ihre leise, einlullende Stimme würde sich ideal für das Vorlesen von Gute-Nacht-Geschichten eignen. Ich merke, wie meine Augenlider schwer und schwerer werden. Ich achte einfach nicht darauf, was sie sagt, sondern nur auf diese weiche, ruhige Stimme, die mich ins Land der Träume führt. »Er hat natürlich sofort gemerkt, dass du plötzlich so scheel auf deinen Teller geguckt hast. Ist ja nicht blöd, der Junge. Das habe sogar ich gesehen, obwohl ich am Nebentisch saß.« Gar nicht hinhören. Nur diese Vibrationen ihrer Stimme aufnehmen. Ich bin ganz müde. Ich bin ganz entspannt. »Und
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