Venus allein zu Haus
Nachricht drei: Ich schätze mal, du hast dein Handy noch nicht wieder angeschaltet, oder?« Soll ich jetzt antworten, oder was? »Na ja, wenn du das hörst, dann ruf mich an. Bitte. Nachricht vier: Hm, ja, Helen, Jan hier noch mal …« Und so weiter, und so weiter. Ich kapiere gar nichts mehr. Ich will auch nicht nachdenken. Was wollte ich noch mal? Ach ja, Lara anrufen. Ich mache Anstalten, meinen Plan in die Tat umzusetzen, als mein Blick auf die Uhr des Armaturenbretts fällt. Du liebe Zeit, erst halb zehn. Nein, da kann ich sie noch nicht stören. Ich fahre lieber erst mal nach Hause, also zu Michael und Nick, und gebe Dotty ein paar ausführliche Streicheleinheiten.
Meine Katze springt mir auf dem Flur schon fröhlich entgegen. Gott sei Dank, sie ist putzmunter. Ich streichele ihr über den roten Kopf und gebe ihr erst mal eine ordentliche Portion Futter. Dann ziehe ich mir endlich die nach abgestandenem Rauch stinkenden Klamotten von gestern aus und gehe unter die Dusche. Ich halte mein Gesicht in den warmen Wasserstrahl und merke gar nicht, wie meine Tränen zu fließen beginnen. Plötzlich höre ich es an der Tür klingeln und schalte die Dusche aus. Ich hangele nach dem großen hellblauen Badelaken und wickele mich darin ein, als draußen vor der Tür Schritte zu hören sind. Aha, einer von den Jungs geht schon dran. Na dann. Ich beginne, meinen Körper mit einer pflegenden Bodylotion einzucremen, als es an der Badezimmertür klopft.
»Helen, Besuch für dich«, höre ich Nick rufen.
»Für mich?«
»Sag ich doch.«
»Äh, ja, Moment, ich komme«, rufe ich hektisch. Ich schlinge mir das Handtuch um den Körper und ein kleineres um den Kopf. Nicks Schritte entfernen sich und ich rufe: »Halt! Wer ist es denn?« Aber entweder kann er mich nicht hören, oder er will es nicht. Na ja, egal. Schon wieder kommen mir Horrorszenarien in den Kopf, dass Lara einen Unfall hatte und Manu jetzt hier auftaucht, um sie zu rächen, weil ich mit meiner Junggesellinnenabschiedsidee das Unglück ausgelöst habe. So ein Quatsch. Entschlossen reiße ich die Türe auf und stehe Jan genau gegenüber. Überrascht schnappe ich nach Luft und werde mir ganz schnell meines Aufzuges bewusst. Sicher hat er mich so und mit noch sehr viel weniger an schon hundertmal gesehen, aber nach allem, was er über mich gesagt hat, würde ich doch jetzt gerne etwas geschützter vor ihm stehen.
»Korrekter gekleidet. Unangreifbarer. Perfekter«, flüstert Sophia mir von hinten ins Ohr und ich knalle ihr die Badezimmertür mitten ins Gesicht.
»Was machst du denn hier?«, frage ich Jan unfreundlich. Dabei wird mir schmerzlich bewusst, wie unglaublich gut er aussieht. Er trägt Jeans und ein weißes T-Shirt, seine seidenweichen blonden Haare fallen ihm ein wenig in die Stirn, der Teint ist leicht gebräunt. Und er stellt ein zerknirschtes Lächeln zur Schau:
»Du hast auf meine Anrufe nicht reagiert. Also habe ich bei deinem Vater angerufen und der hat mir erzählt …«
»Du hast bei meinem Vater angerufen?«, unterbreche ich ihn wütend. Das wird ja immer besser.
»Er hat sich sehr gefreut, von mir zu hören«, verteidigt sich Jan.
»Das ist ja das Schlimme«, fahre ich ihn an. Eben. Jetzt werde ich mir bei meinem nächsten Besuch anhören dürfen, was für ein netter Mann Jan doch eigentlich ist. Und solch ein erfolgreicher Unternehmer. Wieso hat es mit euch beiden eigentlich nicht geklappt, Helena?
»Würdest du bitte in der Küche warten, während ich mir etwas anziehe«, sage ich mühsam beherrscht und weise ihm mit der Hand die Richtung.
»Natürlich«, sagt er und ich verschwinde in meinem Zimmer.
Wenige Minuten später betrete ich in Jeans und rosa Spaghetti-Träger-Top die Küche, wo Jan auf einem der Holzstühle sitzt.
»Machs kurz, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit«, gifte ich ihn an und mache mich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
»Helen, hör doch mal, ich möchte dir das erklären.«
»Na, da bin ich ja sehr gespannt«, fauche ich. »Mich interessiert eigentlich nur eins: Bist du nun schwul oder nicht?« Er lässt schuldbewusst den Kopf hängen:
»Nein, bin ich nicht.«
»Warst du es?«
»Nein.« Gut, damit ist der Fall für mich eigentlich erledigt.
»Dann verschwinde!«, sage ich sehr bestimmt, ohne ihn anzusehen. Ich bin vollauf damit beschäftigt, den perfektesten Milchschaum der Welt zu zaubern.
»Nein, Helen, nicht, bevor du mich anhörst.« Mit einem Ruck drehe ich mich zu ihm um:
»Was willst du
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