Venus im Pelz
gehen wir in ein Land, wo man uns nicht kennt, und wo du daher ohne Anstand vor der Welt als mein Diener auftreten kannst. Vielleicht nach Italien, nach Rom oder Neapel.«
Wir saßen auf Wandas Ottomane, sie in der Hermelinjacke, das offene Haar wie eine Löwenmähne über den Rücken, und sie hing an meinen Lippen und sog mir die Seele aus dem Leibe. Mir wirbelte der Kopf, das Blut begann mir zu sieden, mein Herz pochte heftig gegen das ihre.
»Ich will ganz in deiner Hand sein, Wanda«, rief ich plötzlich, von jenem Taumel der Leidenschaft ergriffen, in dem ich kaum mehr klar denken oder frei beschließen kann, »ohne jede Bedingung, ohne jede Beschränkung deiner Gewalt über mich, ich will mich auf Gnade und Ungnade deiner Willkür überliefern.« Während ich dies sprach, war ich von der Ottomane zu ihren Füßen herabgesunken und blickte trunken zu ihr empor.
»Wie schön du jetzt bist«, rief sie, »dein Auge wie in einer Verzückung halb gebrochen, entzückt mich, reißt mich hin, dein Blick müßte wunderbar sein, wenn du totgepeitscht würdest, im Verenden. Du hast das Auge eines Märtyrers.«
Manchmal wird mir doch etwas unheimlich, mich so ganz, so bedingungslos in die Hand eines Weibes zu geben. Wenn sie meine Leidenschaft, ihre Macht mißbraucht?
Nun dann erlebe ich, was seit Kindesbeinen meine Phantasie beschäftigte, mich stets mit süßem Grauen erfüllte. Törichte Besorgnis! Es ist ein mutwilliges Spiel, das sie mit mir treibt, mehr nicht. Sie liebt mich ja, und sie ist so gut, eine noble Natur, jeder Treulosigkeit unfähig; aber es liegt dann in ihrer Hand – sie kann, wenn sie will – welcher Reiz in diesem Zweifel, dieser Furcht.
Jetzt verstehe ich die Manon l'Escault und den armen Chevalier, der sie auch noch als die Maitresse eines anderen, ja auf dem Pranger anbetet.
Die Liebe kennt keine Tugend, kein Verdienst, sie liebt und vergibt und duldet alles, weil sie muß; nicht unser Urteil leitet uns, nicht die Vorzüge oder Fehler, welche wir entdecken, reizen uns zur Hingebung oder schrecken uns zurück. Es ist eine süße, wehmütige, geheimnisvolle Gewalt, die uns treibt, und wir hören auf zu denken, zu empfinden, zu wollen, wir lassen uns von ihr treiben und fragen nicht wohin?
Auf der Promenade erschien heute zum erstenmal ein russischer Fürst, welcher durch seine athletische Gestalt, seine schöne Gesichtsbildung, den Luxus seines Auftretens allgemeines Aufsehen erregte. Die Damen besonders staunten ihn wie ein wildes Tier an, er aber schritt finster, niemand beachtend, von zwei Dienern, einem Neger ganz in roten Atlas gekleidet und einem Tscherkessen in voller blitzender Rüstung begleitet, durch die Alleen. Plötzlich sah er Wanda, heftete seinen kalten durchdringenden Blick auf sie, ja wendete den Kopf nach ihr, und als sie vorüber war, blieb er stehen und sah ihr nach.
Und sie – sie verschlang ihn nur mit ihren funkelnden grünen Angen – und bot alles auf, ihm wieder zu begegnen.
Die raffinierte Koketterie, mit der sie ging, sich bewegte, ihn ansah, schnürte mir den Hals zusammen. Als wir nach Hause gingen, machte ich eine Bemerkung darüber. Sie runzelte die Stirne.
»Was willst du denn«, sprach sie, »der Fürst ist ein Mann, der mir gefallen könnte, der mich sogar blendet, und ich bin frei, ich kann tun, was ich will –«
»Liebst du mich denn nicht mehr –« stammelte ich erschrocken.
Ich liebe nur dich«, entgegnete sie, »aber ich werde mir von dem Fürsten den Hof machen lassen.«
»Wanda!«
»Bist du nicht mein Sklave?« sagte sie ruhig. »Bin ich nicht Venus, die grausame nordische Venus im Pelz?«
Ich schwieg; ich fühlte mich von ihren Worten förmlich zermalmt, ihr kalter Blick drang mir wie ein Dolch in das Herz.
»Du wirst sofort den Namen, die Wohnung, alle Verhältnisse des Fürsten erfragen, verstehst du?« fuhr sie fort.
»Aber –«
»Keine Einwendung. Gehorche!« rief Wanda mit einer Strenge, die ich bei ihr nie für möglich gehalten hätte. »Komme mir nicht unter die Augen, ehe du alle meine Fragen beantworten kannst.«
Erst Nachmittag konnte ich Wanda die gewünschten Auskünfte bringen. Sie ließ mich wie einen Bedienten vor sich stehen, während sie mir im Fauteuil zurückgelehnt lächelnd zuhörte. Dann nickte sie, sie schien zufrieden.
»Gib mir den Fußschemel!« befahl sie kurz.
Ich gehorchte und blieb, nachdem ich ihn vor sie gestellt und sie ihre Füße darauf gesetzt hatte, vor ihr knien.
»Wie wird dies
Weitere Kostenlose Bücher