Venus und ihr Krieger
Gastfreundschaft«, sagte er nur und es waren genau die richtigen Worte.
Die Knechte und Mägde liefen auf dem Hof durcheinander, schleppten Schüsseln und Eimer, es roch nach Blut, Fett und gekochtem Fleisch. Mehrere Kessel dampften auf offenen Feuern, die auf dem Hof loderten. Der aufkommende Wind konnte die Luft nicht von diesem Geruch reinigen.
Sigrun füllte große Kannen mit Bier und Met ab, zwei Knechte holten die Weinschläuche von den Dachbalken herunter.
Inmitten des scheinbaren Durcheinanders stand Rosmelda, die Hände in die kräftigen Hüften gestemmt. Sie schien niemals den Überblick zu verlieren.
Sigrun verschnaufte einen Augenblick und gesellte sich zu Rosmelda. Ihr Atem bildete weiße Wölkchen in der kühlen Luft. Ein kalter Windstoß wirbelte die Rauchschwaden durcheinander und hüllte den Hof für Augenblicke in eine geistergleiche Nebellandschaft. Fröstelnd zog Sigrun die Schultern hoch.
»Hol deinen Umhang«, mahnte Rosmelda. »Du hast deine Krankheit gerade erst überwunden und dein Körper hat noch nicht genügend Kraft, sich gegen eine neue zu wehren.«
Sigrun eilte ins Haus, um den wollenen Mantel umzulegen, der auf ihrer Pritsche lag. Der Wind fuhr durch die Dachöffnung und entfachte das Herdfeuer mit einem unheimlichen Fauchen. Sigrun wandte sich erschrocken um und blickte in die offene Flamme des Herdes. Sie zuckte plötzlich zurück. Sie sah eine Lanze, ein Schwert – und Blut! Claudius! Etwas war geschehen. Beunruhigt lief sie auf den Hof.
»Was ist mit dir, du bist so blass?«, fragte Rosmelda.
Sigrun presste ihre Fäuste gegen die Brust.
»Es ist etwas geschehen«, murmelte sie und ihre Augen weiteten sich. »Ich hatte eine Vision.«
Rosmelda fuhr erschrocken zurück. »Eine Vision? Hast du das zweite Gesicht?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass etwas geschehen ist. Mit Claudius!«
»Mach dir doch keine Sorgen«, versuchte Rosmelda sie zu beruhigen. »Dein Claudius kommt wieder und bringt ein schönes, fettes Wildschwein mit.«
Doch Sigrun schüttelte den Kopf und wies stumm zum Hoftor. Es stand offen und davor zeichneten sich dunkel mehrere berittene Krieger gegen den grauen Himmel ab. Sie zeigten auf Sigrun.
In der vergangenen Nacht hatte Reif die Stoppeln auf den Feldern und die braunen Blätter an den Bäumen versilbert. Schwarze Vögel erhoben sich laut kreischend aus den fast kahlen Ästen der Bäume unterhalb des Burgwalles. Auf dem Burghof herrschte rege Betriebsamkeit. Das von Claudius erlegte Wildschwein wurde in einem riesigen Kessel in einer Brühe aus wildem Knoblauch und Thymian gesotten. Die schwarzen Raben stritten sich lautstark um die blutigen Reste des Schlachtfestes.
Der Druide Verculix beobachtete die Vögel. In respektvollem Abstand von ihm stand Claudius.
»So sterben die einen, damit die anderen leben können«, sagte der bärtige Alte. Er wandte sich mit durchdringendem Blick zu Claudius um. Wieder hatte Claudius das Gefühl, sein Wesen würde von dem alten Mann gänzlich erfasst. »Würdest du auch sterben, um ihr das Leben zu erhalten?«, fragte Verculix und zeigte mit seinem Stock auf Sigrun. Sie hockte auf einer zerfallenen Mauer aus dem dunklen Vulkangestein des Mons Arvernus und blickte scheu zu ihnen herüber.
»Ja«, antwortete er fest.
Der Alte nickte, als hätte er die Antwort schon vorher gewusst. »Doch dein Sterben würde ihr nichts nützen. Du bist wichtiger für sie, wenn du lebst. Heute Nacht verbindet sich die Welt der Götter mit der Welt der Menschen, es ist die Nacht der Begegnung zwischen den Lebenden und den Toten. In dieser Nacht steht die Zeit still, es wird die Ewigkeit sein. Was du in dieser Nacht besitzt, wird dir für die Ewigkeit gehören. Lege dich zu ihr, Gallier!«
Fünfzehntes Kapitel KIMBERNLAND
Das Fest zum Jahreswechsel dauerte drei Tage, an denen ausgelassen gefeiert wurde. Antequos ließ Berge von Fleisch auffahren, zumeist gesottenes Schweinefleisch, aber auch fette Ochsen, Schafe, Hirsche und Rehe, Wildschweine und Hasen. Dazu gab es Brot aus hellem und dunklem Mehl, Pilze, Früchte und Beeren. Unmengen von Wein, Met und Bier wurden getrunken und überall lagen die volltrunkenen Zecher herum, um ihren Rausch auszuschlafen.
Verculix schlenderte außerhalb des Burgwalles über die herbstgelbe Wiese. Auch wenn er seine Augen auf den Weg vor sich richtete, sah er die beiden Gestalten, die sich eng umschlungen an einen Baum lehnten.
»Das Fest scheint euch nicht besonders zu gefallen«, sagte
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