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Venus und ihr Krieger

Venus und ihr Krieger

Titel: Venus und ihr Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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bleibt jedem selbst überlassen, in Freiheit und auf seine eigene Gefahr hin zu entscheiden, was er tun will. Ich sehe Sehnsucht in Sigruns Augen. Ich sehe Sehnsucht in Velox’ Augen. Es ist nicht die gleiche Sehnsucht.«
    Velox! Er trug seinen gallischen Namen, den der Druide benutzt hatte, mit Stolz. Er fühlte sich damit Sigrun ebenbürtig und Sigrun lachte glücklich. Auch sie schien wie zu einem neuen Leben erwacht.
    Sie rasteten und bauten sich aus Zweigen und Schnee eine Höhle. Sigrun bewies großes Geschick im Bau dieser Schneehütten und es war erstaunlich, wie schnell es im Inneren warm wurde, ohne dass der Schnee schmolz. Nur das Feuer entfachten sie außerhalb und bereiteten sich eine warme Mahlzeit zu. Zur Nacht kuschelten sie sich, in ihre dicken Pelze gehüllt, in der Schneehütte auf ihren Satteldecken aneinander.
    Antequos hatte sie mit warmer Reisekleidung, ausreichend Proviant und zwei kleinen, aber robusten Pferden ausgestattet. Mehr als einmal bedauerte er, dass sie weiterziehen wollten, ein so tapferer und fechtkundiger Held hätte sich gut in den Reihen seiner Ritter ausgemacht. Velox hatte ihm für sein hochherziges Angebot gedankt und ihn um Verständnis für Sigruns Wunsch, zu ihrem Stamm zurückzukehren, gebeten.
    Ihre Reise führte sie ostwärts vom Land der Arvernii über den Fluss Rhodanus, auf einer Handelsstraße entlang bis zum Lacus Lemanus, den sie nördlich passierten. Mit dem Lauf des Flusses Arurius querten sie das Gebiet der Helvetii bis zum Lacus Venetus. Von dort aus folgten sie den Seitentälern des Gebirges, bis sie das Noricum erreichten.
    Zwei lange Monate dauerte diese Reise, zwei Monate, von denen sie jeden Augenblick gemeinsam verbrachten. Trotz der Anstrengungen verband sie eine innige Zweisamkeit, die sie den weiten Weg vergessen ließ. Claudius – oder Velox, wie sie ihn jetzt nannte – war völlig umgewandelt. Verflogen war seine Unzufriedenheit, vorbei seine Gereiztheit und seine Selbstzweifel. Zwar hatte er nicht begriffen, was mit ihm geschehen war, doch er nahm die Veränderung an. Sigrun war froh, denn sie hatte schon geglaubt, seine Liebe zu verlieren.
    Auch in ihr war eine Wandlung vor sich gegangen. Vielleicht lag es an der Erleichterung, dass sie ihren Geliebten wiedergewonnen hatte.
    Zur Mittagszeit eines kalten Wintertages querten sie das bewaldete Gebiet westlich von Noreia, das das lang gestreckte Tal nach Süden begrenzte. Am Rande des Waldes zügelten sie ihre Pferde. Sigrun beschattete ihre Augen mit der Hand. Die Sonne schien auf die märchenhafte Welt und tauchte sie in ein silbernes Gleißen und Glitzern. Im weißen Kleid des Winters wirkte das Tal friedlich und verschlafen. Tiefe Ruhe lag darüber.
    »Seltsam«, murmelte Sigrun. »Es ist so still.« Sie vermisste das Bellen der Hunde, das Krähen der Hähne, das dumpfe Brummen der Ochsen und das aufgeregte Quieken der Schweine. Sie vermisste das Lachen der Kinder, die Axtschläge der Männer, das Singen der Frauen. Und sie vermisste den Rauch, der aus den Dachöffnungen aufsteigen müsste, und die Wagen, die in den Gehöften standen.
    Beunruhigt trieb sie ihr Pferd an und ritt hinunter ins Tal. Velox folgte ihr. Vor dem ersten Haus hielt sie an, sprang vom Pferd und eilte in den Hof. Die Umzäunung war zusammengefallen, die Pferche standen offen. Sie schlug den zerlöcherten Vorhang vor dem Eingang zurück. Das Wohnhaus war leer!
    Angst schnürte ihre Kehle ein. Sie hastete zum zweiten Haus, zum nächsten und übernächsten.
    »Vater! Mutter! Naiax!« Hilflos drehte sie sich im Kreis. Die kimbrischen Langhäuser standen verlassen, ihr verzweifelter Schrei stieg wie ein Vogel in den frostklaren Himmel hinauf.
    Velox stand verlegen und hilflos da und hielt die Pferde am Zügel. Er wollte so gern tröstend seinen Arm um ihre Schulter legen. Plötzlich stockte ihm der Atem.
    »Schau mal, da!« Seine Hand wies zu einem kleinen Haus am Rande der Siedlung.
    Das weiße Haar der alten Frau wehte im kalten Wind wie Spinnweben. Sie trug ein blaues Gewand, das Oberkleid auf der Schulter mit Spangen befestigt. Darunter war der eherne Gürtel zu erkennen. Trotz der eisigen Kälte ging sie barfuß.
    Ihre Augen blickten seltsam verschwommen und sie kniff die Lider zusammen, um die Ankömmlinge zu erkennen. Irgendwie erinnerte die alte Frau an Verculix.
    Zögernd trat Sigrun auf sie zu.
    »Neia?«
    »So ruft die Sippe mich«, krächzte die Alte mit der Stimme eines Raben und Sigrun erschauerte.
    »Neia,

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