Venus und ihr Krieger
seiner Gefühle. Zwischen ihm und ihr standen Romelia und Athenais.
Während sie durch das Tor der Tempelanlage traten, ergriff Claudius verstohlen Pilas Hand und drückte sie. Ihr Herz schlug heftiger bei seiner Berührung. Aber schnell entzog sie ihm ihre Hand, damit die beiden Frauen, die vor ihnen gingen, nichts bemerkten.
Die Tempelanlage gliederte sich in zwei Teile. Links erhob sich der größere Tempel, der Bacchus geweiht war. Überwiegend Frauen hatten sich auf der Treppe zum Heiligtum versammelt. Auf der anderen Seite des kleinen Gartens lag der Tempel des Priapus. Er war bedeutend kleiner und seine drei Wände umschlossen das aus Zedernholz gefertigte Standbild der lüsternen Gottheit mit dem überdimensionalen erregten Phallus. Ihm huldigten vorwiegend Männer, die sich ebensolche Lebenskraft ihrer Lenden erhofften und gleichzeitig alles Übel von sich abwenden wollten.
Romelia wies hinüber zu Priapus. Sie nahm Pila den Korb mit Früchten ab, den sie bis hierher getragen hatte.
»Wir opfern zuerst Priapus, damit er unsere Wälder und Felder, unsere Gärten und Quellen beschützt. Er möge unsere Weinberge bewachen und Diebe mit seinem übermächtigen Glied erschrecken. Seine unermüdliche Liebeslust soll er unserem Freund Claudius angedeihen lassen, damit er zu unserer Freude die Nächte erfülle.«
Romelia kniete nieder, neben ihr Athenais. Sie legten Granatäpfel auf die Opferplatte vor dem Standbild. Als sich die beiden Frauen zurückzogen, hockte Claudius sich nieder. Mit leiser Stimme murmelte er dem Gott seine Huldigung:
»Alle Götter haben ein besonderes körperliches Zeichen, Apoll die goldnen Locken, Hercules der Muskeln Kraft und Bacchus seine mädchenhaften Formen ohnegleichen, Minerva graue Augen, Venus heiße Leidenschaft; man sieht auf der Faune Stirn das Paar der Hörner blinken, der Götterbote lässt leicht beschwingt die Sohlen sehn, gelähmt ist Lemnos’ Herr, der hochberühmte Schmied muss hinken, und Aesculap lässt seinen zottenreichen Vollbart wehn, doch Mars, der wilde, hat von allen wohl die größte Brust; so bleibt für mich nur eins, worauf mein Selbstbewusstsein fußt: des größten Götterpenis ist Priapus sich bewusst!«
Mit diesen Worten goss Claudius eine Flüssigkeit aus einer Phiole über den Phallus des hölzernen Gottes.
Mit großen Augen verfolgte Pila die Anbetung des seltsamen Gottes und mehr noch als im Tempel der Isis fand sie den hässlichen Gott mit dem dümmlich-lüsternen Gesicht und dem unanständig riesigen Glied zum Lachen. Doch sie biss sich auf die Unterlippe, um die Umstehenden nicht zu erzürnen. Die vielen Männer, die ihre Opfergaben darbrachten und ihm mit Gedichten wie Claudius huldigten, aber auch Frauen, die den Schutz ihrer Gärten und Felder erflehten, und Huren, deren Schutzgott Priapus war, glaubten mit tiefer Inbrunst an ihn.
Doch lange hielten sie sich nicht in dem kleinen Tempel auf, denn Romelia drängte, den anderen Tempel zu betreten. Von dort erklang bereits Musik und Lachen. Der Tempel des Bacchus war wesentlich größer, seine Wände bunt bemalt. Die Bilder stellten Szenen von Geburt, Kindheit, Wirkkraft, Tod und Wiederkehr des Gottes dar. Auf einer erhöhten Marmortafel mit einer gepolsterten Kline lag ein junger Mann, nur mit Pantherfellen bekleidet. Sein Haupt zierte ein Kranz aus Efeu-blättern, in der Hand hielt er den mit Pinienzapfen geschmückten Thyrsosstab. Er schien bereits vom Wein berauscht und genoss entspannt die Tänze der leicht bekleideten und ebenfalls mit Efeukränzen geschmückten Frauen. Eine Priesterin näherte sich den Eintretenden und deutete Romelia mit einer Armbewegung an, ihr zu folgen. Sie führte sie in die Nähe des lebenden Bacchus, der ihnen zulächelte. Dann reichte sie den Frauen eine Schale. Zuerst trank Athenais, dann Romelia. Diese reichte die Schale an Pila weiter und forderte sie auf, ebenfalls daraus zu trinken.
»Trink das nicht!«, raunte Claudius ihr ins Ohr.
Pila setzte die Schale vorsichtig an ihre Lippen und tat so, als würde sie daraus trinken. Dann reichte sie die Schale an Athenais zurück. Die Priesterin füllte die Schale auf und ließ sie ein zweites Mal herumgehen. Athenais begann bereits, sich im Takt der mitreißenden Musik zu wiegen. Auch Romelias Wangen röteten sich. Um sich nicht verdächtig zu machen, begann Pila ebenfalls zu tanzen. Schnell reichte sie die Schale an Athenais weiter, die nun gierig trank. Das Getränk schien stark berauschend, denn
Weitere Kostenlose Bücher