Venus und ihr Krieger
leicht öffneten. Claudius musste sich an die Wand der Werkstatt lehnen, um nicht die Fassung zu verlieren.
»Man möchte Kriegsgott Mars persönlich sein, um diese Venus zu lieben«, murmelte er. Er begriff nicht, dass der Bildhauer so ruhig seine Arbeit verrichten konnte, während ihm diese traumhafte Göttin Modell stand.
Es kostete Claudius enorme Überwindung, abzuwarten, bis der Meister Pila nicht mehr benötigte. Sie kleidete sich an und verließ mit Claudius die Werkstatt. Langsam bummelten sie den Weg zurück. Es war noch Zeit. Diesmal hatte der Meister keine zwei Stunden benötigt.
Sie querten eine Brücke, die über einen kleinen Bach führte. Claudius packte Pila am Handgelenk und zog sie von der Straße.
»Komm mit unter die Brücke«, flüsterte er. »Hier sieht uns niemand. Ich möchte einige Augenblicke mit dir allein sein.«
Sie krochen unter die Wölbung der steinernen Brücke. Beidseits des Ufers wuchs dichtes Gras. Claudius breitete seinen Mantel aus und sie ließen sich darauf nieder.
»Diesen Anblick werde ich niemals vergessen«, flüsterte er und presste sein Gesicht in Pilas Haar.
»Die Plastik ist ganz hübsch geworden«, erwiderte Pila schmunzelnd.
»Die Plastik? Bei allen Göttern, Pila, die Statue ist traumhaft schön, von Meisterhand angefertigt. Doch ich meine dich, wie du da standest, wie von Götterhand geschaffen. Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich nach dir verzehre, es ist ein Feuer, das in mir brennt.«
Sie streichelte sein Haar und nahm seinen Kopf in ihre Hände. Ihre blauen Augen waren den seinen so nahe, dass er meinte, sich darin wie in einem See spiegeln zu können. Die Vereinigung ihrer Lippen war so köstlich, dass Claudius zu zittern begann. Es war kein Rausch der Sinne, sondern ein Gefühl, das tief aus seinem Inneren kam.
Pila spürte seinen warmen Körper an ihrem. Immer, wenn sie Claudius berührte, überkam sie das Empfinden, in Sicherheit zu sein, einen zuverlässigen Schutz um sich zu wissen. Es war weniger die Lust an seinem Körper, sondern die Sehnsucht nach Schutz, die Pila bewog, sich gegen ihn zu pressen. Er strich sanft ihr Gewand von der Schulter, das ihre rechte Brust freigab. Er meinte, die salzigen Wassertropfen des Meeres auf seinen Lippen zu schmecken, als er die zarte Haut liebkoste. Aphrodite, die Schaumgeborene, Venus, die Liebesgöttin, zwei Namen für ein und dieselbe göttliche Gestalt.
»Weißt du, dass die Liebesgöttin Venus und der Kriegsgott Mars durch den Feuergott Vulcanus für immer miteinander verbunden wurden?«, murmelte er leise. »Durch ein Ketten-netz, das Vulcanus über die Liebenden ausbreitet und sie für immer aneinander bindet. Man sagt, Venus sei die Seele, Mars der Körper, Vulcanus das bindende Medium, das Feuer der Leidenschaft.«
»Eure Götter sind sehr menschlich«, erwiderte Pila. Seine Zärtlichkeiten nahmen ihr fast den Atem. Sie zog ihr Gewand etwas hoch, das ihre Beine freigab.
»Ich möchte das Meer sein, das deine Beine umschmeichelt«, sagte er.
»Soviel ich weiß, entstieg Aphrodite dem Wasser und war von ihm getrennt, als sie auf der Erde wandelte.«
»Dann hatte das Meer unstillbare Sehnsucht nach ihr. So wie ich.« Er zog ihre Beine um seine Hüften und Pila spürte sein heftiges Verlangen.
»Lass uns das Feuer des Gottes Vulcanus spüren, geliebter Claudius. Lass Mars und Venus eins werden.« Ihre Arme umschlangen ihn, ihr Gesicht war seinem nahe und er spürte ihren heißen Atem. Ihre Umarmung war so voll Inbrunst und Zärtlichkeit, dass beide die Welt um sich herum vergaßen. Es war eine kleine Insel der Glückseligkeit in einem rauen Ozean der Gewalt.
Nervös schritt Diodoros vor dem Gemach seiner Gattin auf und ab. Seit einer halben Stunde war der berühmte ägyptische Arzt Nerem-ptah bei Athenais. Diodoros hatte sich dazu entschlossen, Athenais von ihm untersuchen zu lassen, um herauszufinden, warum sie ihm keinen Sohn gebar, ja, warum sie überhaupt kein Kind bekam. Seine Familie begann ihn zu verspotten, weil er noch keinen Erben vorzuweisen hatte. Er spielte mit dem Gedanken, Athenais zu verstoßen und sich eine neue Frau zu nehmen. Doch zuvor wollte er die Meinung eines Arztes hören. Nicht irgendeines Arztes, es musste ein berühmter sein. Und Nerem-ptah war ein berühmter, denn er war bereits Leibarzt des schmerbäuchigen ägyptischen Königs Ptolemaios VIII. Euergetes und, bis zu dessen Flucht nach Zypern, auch von Ptolemaios IX. Soter.
Nerem-ptah ließ sich Zeit und Diodoros
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