Venus und ihr Krieger
hielt die Augen geschlossen, als wolle sie aus dem wunderschönen Traum nicht erwachen.
»Wir wälzen uns hier auf der schmutzigen Wäsche wie zwei liebestolle Hunde«, sagte sie leise. »Dabei würde ich so gern eine ganze Nacht das Bett mit dir teilen.«
»Ich auch«, erwiderte Claudius. »Warum tun wir es dann nicht?«
»Das geht nicht. Ich teile mit Drusilla eine Kammer. Sie wird es bemerken, wenn ich mich hinausschleiche.«
»Kannst du ihr vertrauen?«
»Ich weiß es nicht. Bisher war sie wirklich meine einzige Vertraute. Doch in letzter Zeit musste ich feststellen, dass ich niemandem trauen darf. Es ist einfach zu gefährlich.«
»Und doch möchte ich dich einmal eine ganze Nacht im Arm halten. Komm in meine Gästekammer, dort sind wir ungestört.«
»Und wenn Romelia kommt?«
»O nein! Romelia lässt mich zu sich kommen. In meine Kammer kommt sie nicht. Dazu lässt sie sich nun doch nicht herab.«
»Also gut, ich werde versuchen, mich fortzustehlen.«
»Versprochen?«
»Ich kann es dir nicht versprechen. Aber ich werde alles versuchen.« Sie schlang ihre Arme um seinen Hals.
»Für diese Nacht würde ich sterben«, flüsterte Claudius ihr ins Ohr.
»Vielleicht ist es sogar günstig. Romelia ist unpässlich, sie hat sich den Magen verdorben. Ich glaube kaum, dass sie auf irgendetwas Appetit hat, nicht einmal auf dich.«
»Hervorragend! Die Götter sind mit uns!«
Diodoros war ein sehr gebildeter, aber auch ein sehr abergläubischer Mensch. In wichtigen Fragen vertraute er dem Orakel, das sich im Rauschen des Laubes oder in den Weissagungen der Pythia äußerte. Er hatte keine Bedenken, Eichen und Steinen zu glauben, solange die Antworten richtig waren. Diesmal befragte er das Orakel im Apollotempel am Forum von Pompeji, denn es stand viel auf dem Spiel.
Diodoros hatte einige Zeit benötigt, um sich von dem Schock zu erholen, den ihm der ägyptische Arzt Nerem-ptah bereitet hatte. Nicht an Athenais lag es, dass er keine Erben bekam, sondern an ihm selbst! Es war die schlimmste Demütigung, die einem Mann widerfahren konnte. Tagelang hatte er sich zurückgezogen, wollte weder seine Gattin noch Nikandros sehen. Er ging nicht aus, besuchte keinen Sportplatz, sondern brütete dumpf vor sich hin. Letztlich raffte er sich auf, um vom Orakel im Tempel eine Antwort zu erhoffen.
Einmal im Monat konnte das Orakel befragt werden und Diodoros begab sich mit Opfergaben und einem wohl gefüllten Geldbeutel zum Tempel. Ein Priester reichte ihm eine Bleifolie, in die er seine Frage eingravieren musste. Das Bleitäfelchen wurde gefaltet und auf der Rückseite die Namensinitialen von Diodoros eingeritzt. Dann warf er das Plättchen in einen Bronzekessel, wo bereits viele andere Täfelchen lagen. Geduldig wartete er. Der Kessel wurde von den Priestern in die kleine Kammer getragen, in der die heilige Priesterin saß. Niemand durfte sich der Kammer nähern. Erst auf Geheiß der Priester wurden die Fragenden einzeln herangewunken. Sie mussten sich vor einem steinernen Gewölbe niederknien. Dann antwortete die Pythia.
Dem sonst so stolzen Diodoros wurde bang. Gar zu unheimlich war die Zeremonie. Doch er musste es tun, seine gesamte Zukunft hing davon ab.
Ein Priester rief seinen Namen und Diodoros erhob sich. Vor der seltsamen Grotte mit den drei Schlitzen kniete er nieder und senkte das Haupt. Zuerst vernahm er nur ein seltsames Heulen, als ob der Wind durch einen Kamin strich. Die Geräusche formten sich zu Worten und eine unwirkliche Stimme ertönte: »Wolken kommen, Wolken gehen. Ich sehe den Wind über eine Wiese streifen. Bunte Blumen bewegen sich sacht. Ein Schmetterling lässt sich nieder. Nicht Fremder, nicht Freund, der das Haupt der Attika in Besitz nimmt. Der Schmetterling fliegt davon. Ich sehe die Wiese.«
Dann verlosch die Stimme wieder im Heulen des Windes. Der Priester bedeutete ihm, sich zu erheben und das Orakel zu verlassen. Mit weichen Knien begab Diodoros sich auf den Heimweg. Er musste über die Worte des Orakels nachdenken. In der Nacht überkam ihn ein beunruhigender Traum. Er lief über eine Wiese, auf der bunte Blumen blühten. Doch als er sie genauer betrachtete, entdeckte er, dass jede Blüte die Form eines Gesichtes hatte, eines menschlichen Gesichtes. Eines dieser Gesichter war das von Athenais. Er eilte auf sie zu, aber der Wind wehte die Blütenköpfe in eine andere Richtung. Vergebens streckte er seine Hand nach der Blume mit Athenais’ Gesicht aus. Ein Schmetterling taumelte
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