Venus und ihr Krieger
Brundisium.
»Aber ist es nicht gefährlich, auf der Via Appia zu reisen?«, wagte sie einzuwenden.
»Eben nicht. Wenn du die Kleidung einer einfachen Frau wählst und ich die eines Handwerkers, fallen wir in dem Gewimmel nicht auf. Wichtig ist, dass du genug Geld einpackst. Ich muss den Kapitän bestechen und sicher noch allerhand Wachen unterwegs. Vielleicht müssen wir die Via Appia doch verlassen. Mit den Maultieren kommen wir schneller vorwärts.«
»Warum nehmen wir keinen Wagen?«
»Und fallen auf? Nur reiche Leute fahren schnelle Wagen. Für einige Zeit musst du dich mit der Rolle der bescheidenen Handwerkersfrau begnügen. Oder kannst du das nicht?«
»Doch, doch!«, beeilte sich Romelia zu versichern. »Das ist wirklich alles aufregend.«
»Allerdings. So ein Abenteuer erlebt nicht jede Frau. Darauf kannst du dir etwas einbilden. Mit einer Sänfte oder einem cisium zu reisen ist keine Kunst. Aber jeder Passant kann sagen, wann du vorbeigekommen bist. Eine Handwerkerfamilie auf Maultieren hingegen fällt nicht auf, weil davon Hunderte am Tag auf der Via Appia unterwegs sind.«
»Du bist nicht nur schön und mutig, sondern auch klug«, gab Romelia zu.
Claudius lächelte selbstbewusst. »Natürlich, oder dachtest du, ich kann nur kämpfen? Schon lange habe ich den Plan ausgeklügelt, um ihn bei Bedarf sofort zur Hand zu haben. Für solch eine Entführung braucht man nicht nur Muskeln, sondern auch Köpfchen!«
Langsam erhob sich Romelia, ohne ihren schmachtenden Blick von ihm zu lassen. »Ich bin überrascht«, murmelte sie. »Doch sage mir, warum muss ich das Bündel vorher verstecken?«
»Warum?« Claudius blickte mit überheblicher Miene auf sie herab. »Sollen wir das Vermögen gleich zu Anfang unserer Flucht verlieren? Du bist nur eine schwache Frau und diese Herberge hat nicht den besten Ruf. Für einige Stunden hast du keinen Mann in deiner Nähe, der dich und dein Vermögen beschützt. Im Morgengrauen hole ich dich. – So, und jetzt habe ich Hunger. Ich muss mich für diesen Kampf stärken. Ich hoffe, deine Küche hat etwas zu bieten.«
»Selbstverständlich.« Romelia eilte aufatmend hinaus, um Anweisungen zu geben. Sie beauftragte Drusilla, sich um Claudius zu kümmern. Dann verschwand sie in ihren Gemächern, um die Reisevorbereitungen zu treffen, wie Claudius es ihr aufgetragen hatte.
Das Amphitheater von Pompeji war nur klein. Seit Jahren forderten die Bürger den Bau einer größeren Arena, die dem wachsenden Status der Stadt gerecht wurde. Längst platzte das Theater aus allen Nähten, wenn Gladiatorenspiele veranstaltet wurden und immer wieder kam es zu heftigen Protesten derjenigen, die keinen Platz im Zuschauerrund gefunden hatten. Gladiatorenspiele erfreuten sich großer Beliebtheit, zumal die berühmte Schule von Capua nicht weit entfernt lag und aus dem Süden über den Seeweg zahlreiche exotische Tiere für die Kämpfe und Tierhetzen kamen.
Unter der alten Arena befanden sich Verliese für Gefangene, flüchtige Sklaven und verurteilte Verbrecher. Hierher schleppten Wachleute und Soldaten die unglückliche Pila. Eine Gegenwehr oder gar Flucht war zwecklos, Pila wurde sofort in Ketten gelegt und wie ein Tier aus Romelias Villa gezerrt. Es war weniger die Demütigung ihrer erneuten Gefangenschaft und die Aussicht auf einen sicheren und qualvollen Tod, der Pila verzweifeln ließ. Es war Claudius, der sich im Augenblick der Überrumpelung sofort von seiner Geliebten abgewandt und die verhasste Romelia in seine Arme gezogen hatte. All seine Worte, seine Zärtlichkeiten, seine Liebesschwüre waren Lügen, nichts als glatte, grausame Lügen!
Enttäuschung, maßlose Wut, Entsetzen schlugen um in eine schreckliche, quälende Verzweiflung. Kein Peitschenhieb, keine Kette, keine Fessel, kein Fußtritt der grausamen Soldaten schmerzte mehr als Claudius’ Verrat. Er hatte ihre Liebe verraten, das einzige und wichtigste, das sie ihm geschenkt hatte, ihr Herz, ihre Seele, ihre Liebe, ihr Leben verraten!
Sie war nicht mehr in der Lage, ihre Umgebung wahrzunehmen, den staubigen Weg, den sie oft mit Claudius nach Pompeji gegangen war, die kleine Brücke über den Bach, unter der sie sich geliebt hatten. Sie sah weder die schnurgerade, gepflasterte Straße durch die Stadt mit den kleinen Geschäften zu beiden Seiten, den Tuchmachern, Silberschmieden, Töpfern, Bäckern, den Getreidemühlen, Ölpressen, Wohnhäusern, Lupanaren – noch die Menschen, die gaffend stehen blieben, mit den Fingern
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