Venus und ihr Krieger
verwettet, dass kein Mann jemals Hand an Pila gelegt und Pila sich keinem Mann hingegeben hatte. Ausgerechnet diesem arroganten Gladiator, der sich abwechselnd mit den Damen des Hauses vergnügte und den Senator so schmählich hinterging, hätte sich Pila keineswegs freiwillig hingegeben. Es konnte sich nur um einen Gewaltakt seitens des Gladiators handeln oder um einen Irrtum. Es gab eine Zeit, da hatte auch Drusilla von Claudius geschwärmt. Seit er sich aber selbst nur zum bezahlten Liebhaber der reichen und gelangweilten Frauen degradiert hatte, empfand Drusilla keine Achtung mehr vor ihm.
Ausgerechnet in dieser Situation beorderte Romelia sie zur Bedienung dieses Gastes. Claudius bemerkte Drusillas verweinte Augen. Offensichtlich aber hatte Pila ihre Liebschaft so geheim gehalten, dass auch Drusilla davon nichts mitbekommen hatte. Noch im Nachhinein musste er Pila dafür Respekt zollen. Und er war sich sicher, dass Pila ihn mit Haut und Haaren liebte – geliebt hatte. Denn ihr entsetzter Aufschrei gellte noch jetzt in seinen Ohren.
Mit einem Stäbchen stocherte er zwischen seinen Zähnen, während er Drusilla verstohlen beobachtete. Die rundliche Sklavin versuchte, ihren tiefen Kummer zu überspielen, doch es gelang ihr nicht so recht. Claudius beschäftigte sie, indem er einmal kaltes Wasser wünschte, eine bestimmte Sorte eingelegter Oliven, dann wieder Äpfel und Trauben, geräucherten Schinken und Trockenfisch, Brot und Teigwaren. Jedes Mal, wenn Drusilla in die Küche verschwand, um das Gewünschte zu holen, packte er einen Teil der Speisen in einen Korb, den er in einer Truhe versteckt hielt. Wenn Drusilla wieder erschien, lümmelte er auf der Kline, rülpste ungeniert und strich sich über seinen Bauch.
Drusilla wurde langsam wütend auf diesen unfeinen Gast. Nachdem er die arme Pila ins Unglück gestürzt hatte, schien es ihm besonders gut zu schmecken. Er vertilgte Unmengen von Speisen, grinste sie zufrieden an und fühlte sich offensichtlich sehr wohl. Er bewegte sich im Hause des Senators, als wäre es sein eigenes, vergnügte sich mit seiner Gattin und scheute auch nicht davor zurück, die Sklaven ins Verderben zu stürzen. Doch was hatte ein Sklave schon für Rechte in dieser Welt? Keine! Und da Pila nichts weiter als eine fremde Sklavin war, war sie ein Nichts! Niemand würde sich nach ihr sehnen, niemand nach ihr fragen, sie kam und ging wie eine Blume, die erblühte und verdorrte und im Herbst vom Wind verweht wurde. Nichts würde von ihr übrig bleiben als eine unförmige Masse blutigen Fleisches, wenn die Löwen in der Arena ihren Hunger gestillt hatten. Drusilla schluchzte auf.
Claudius hob ein wenig die Augenbrauen. Drusilla konnte ihm gefährlich werden mit ihrer Gefühlsduselei. Doch sie durfte nichts erfahren! Denn dann würde es auch für Drusilla um ihr wertloses Leben gehen. Am nächsten Morgen würde alle Welt erfahren, was in der Nacht zuvor geschehen war. Und es würde in Pompeji und in Rom für mächtiges Aufsehen sorgen. Man würde Drusilla als eine der engsten Vertrauten der Herrin mit Folter zu einer Aussage zwingen. Es war besser, sie blieb unwissend.
Nachdem Claudius sein üppiges Mahl beendet hatte, wartete er in aller Seelenruhe, bis Drusilla die Tafel abgeräumt und sich entfernt hatte. Dann nahm er den Korb aus der Truhe, der jetzt randvoll mit haltbaren Speisen gefüllt war, und begab sich zu den Ställen, die außerhalb des Anwesens lagen. Niemand beachtete ihn. Er ging zum Stallaufseher und bat um zwei Maultiere.
»Ich möchte Verwandte in Pompeji besuchen und ihnen einige Früchte bringen«, sagte er und gähnte. »Heute ist es einfach zu heiß zum Laufen. Gegen Abend werde ich wohl zurück sein, um der Herrin Gesellschaft beim Abendmahl zu leisten. Sind die Tiere getränkt und gefüttert?«
»Jawohl, Herr, es sind die kräftigsten aus dem Stall«, bestätigte der Stallaufseher und führte zwei gut genährte Maultiere heraus. Claudius besah sie sich kritisch. »Na ja, bis Pompeji werden sie es wohl schaffen«, scherzte er und schwang sich auf eines der Tiere, während ein Sklave den Korb am Gurt des zweiten Maultieres festzurrte. Gemächlich setzte sich der kleine Zug in Bewegung, während Claudius wieder herzhaft gähnte und gelangweilt seine Beine streckte.
Die Maultiere zuckelten den Weg in Richtung Pompeji. Auf halber Strecke wendete Claudius die Tiere und ritt über eine kleine Nebenstraße in Richtung Herculaneum. Kurz vor dem Ort verließ er die Via
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