Venus
Swami und kaut langsam und sorgfältig.
»Aber kannst du mir nicht zuhören, während du isst?«, sagt Toga und trippelt aufgeregt hin und her. »Es geht um Sun Baba. Der muss auch mal was tun, nicht immer nur auf dem Dach hocken. Wir sind hier schließlich in Manhattan, ich muss ja schließlich alles zahlen, Strom, Betriebskosten, Steuern … Da kann ich keine Schmarotzer gebrauchen.«
»Wenn ich esse, esse ich«, antwortet der Swami. Venus ist erstaunt über seinen Starrsinn, der sich ihr erstmals offenbart, über seine Respektlosigkeit, und plötzlich passt auch sein herrisches Kinn.
»Dann eben später«, haucht Toga und läuft ärgerlich hinaus.
Bliss Swami scheint ihn im selben Moment vergessen zu haben. Er steckt den Löffel in den Mund, leert ihn dort aus, indem er ihn leicht nach oben führt und dann herauszieht. Er legt ihn neben dem Teller ab und kaut den Kohleintopf mit bedächtig malmenden Kieferbewegungen. Er schweigt und macht einen friedlichen, unbeteiligten Eindruck, der auf uns, die wir nicht in ihn verknallt sind, fast einfältig wirkt.
Mau kommt herein, setzt sich an den Tisch und isst demonstrativ nicht. Er sieht aus wie eine Walküre mit seinem mächtigen Brustkorb und seinem offenen wallenden Haar. »Ich bin nämlich auf Diät«, erklärt er, als hätte ihn jemand gefragt, und schnuppert an den voll geladenen Tellern der anderen, wobei er wohlige Hmmmmm-Geräusche macht. Venus kennt inzwischen die Fressanfälle, die einer Mau-Diät auf dem Fuße folgen. Sie sind furchtbar.
»Los, träum nicht, iss, iss Prasadam, Girl«, befiehlt Kuki, die selbst den ganzen Tag mit vollen Backen mampft, obwohl sie ständig klagt, dass sie zu dick sei.Venus lässt sich widerstandslos den Teller mit Hindupampe voll schaufeln – heute ist es eine öl- und butterhaltige Masse aus Reis und Gemüse, in der Zimtstangen und Nelken schwimmen. Die Hindupampe ist Krishna gewidmet und wird die, die davon essen, von innen spiritualisieren. Venus weiß nicht genau, was das bedeutet, von innen spiritualisiert zu werden, aber es klingt sehr gepflegt. Offenbar ist aber die Spiritualisierung von innen ein schmerzlicher Vorgang. Venus fühlt sich ständig voll. Sie hat Blähungen. Sie hat Durchfall. Sie nimmt zu. Sie sieht Mau an. Er ist dick. Sie sieht Kuki an. Die ist auch dick. Sie denkt an Bliss Swamis strammen Bauch. Die meisten hier sind dick.
Als Bliss Swamis Teller leer ist, rülpst er herzhaft und erhebt sich. Kuki rülpst ebenfalls, ohne den geringsten Anflug von Reue. Spiritualisierung scheint mit einem Totalverlust von Manieren einherzugehen. Das ist ja ekelhaft, denkt unsere Venus, und ihr weißes Prinzessinnenkörperchen verspannt sich in einem Anfall kultureller Gegenwehr. Wo bin ich hier nur hingeraten?
»Keine Manieren, diese Inder«, sagt Mau, bei dem sie sich später beklagt, und zieht geräuschvoll den Rotz hoch. Es scheint kein indisches Problem zu sein. Mau hat seine Haare mit einer Spange hochgeklemmt, die dicke schwarze Brille balanciert er am Bügel im Mund, während er die Abrechnungen für die Gästezimmerbuchungen zusammenheftet.
»Anyway, die spucken auch überall hin. Ich war da ja noch nie, will da auch nicht hin, aber in Kalkutta, wenn du da mit dem Ärmel an die Häuserwand kommst, dann schmierst du dich voll mit stinkendem Schleim.«
Er wischt die Nase an seinem Ärmel ab.
»Was die auch immer kauen? Dieses rote Zeugs, Kautabak, Betelnusssaft oder so was. Der Scheich, die Touristen aus Indien und Umgebung. Ferkel, allesamt.«
Er schüttelt sich, wobei die Brille runterfällt.
»Der Alte da oben, der kackt auch aufs Dach.«
Das ist ja ekelhaft, denkt Venus, aber sie will sich auf keinen Fall durch Dachkackgeschichten von der Fährte abbringen lassen.
»Aber der Bliss Swami ist doch kein Inder«, sagt sie. Mau antwortet gähnend, und zwar ohne den kleinsten Impuls, sich die Hand vor den Mund zu halten: »Doch, hat angeblich eine indische Mutter. Anyway, mehr weiß ich auch nicht.«
Es klopft. Ein australischer Tourist steht mit monströsem Gepäck in der Tür. Er ist aufgehalten worden, da Toga mit ihm im Treppenhaus die Wir-sind-so-voll-Nummer abgezogen hat. Mau muss sich nun darum kümmern, den verwirrten Reisenden einzuchecken.
Venus geht in ihr Zimmer. Sie ist versöhnt. Ihr Geliebter hat eine indische Mutter und damit einen Freifahrtschein in schlechtem Benehmen. Sie kann es gar nicht erwarten, dem Swami irgendwo im Hause zu begegnen, um ihm zu gefallen. Fast ist sie stolz auf
Weitere Kostenlose Bücher