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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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ihre Wahl. Als hätten wir ihr eine gelassen.
    Abends lässt Scheich Ramzi wieder die Milch anbrennen. Er lässt zweimal täglich die Milch anbrennen, morgens und abends. Keine Manieren, die Inder. Er schlurft in die Küche, schüttet Milch in einen Topf, dreht die Gasflamme auf maximum und schlurft wieder weg. Vom Zischen und Gestank alarmiert, stürzt Venus ausdem Treppenhaus in die Kochnische im Goldbrokatzimmer, um Herd und Topf vor dem Schlimmsten zu bewahren. Sie gießt die heiße Milch in eine Tasse und stellt sie dem Scheich auf den Tisch.
    »Warum trinken Inder immer heiße Milch?«, fragt sie, obwohl sie Angst vor seiner muffigen, düsteren, windschiefen Erscheinung hat. Der Scheich dankt ihr nicht, sondern schlürft lautstark, schweigt, denn er unterhält sich selten mit Frauen. Und grundsätzlich nicht mit ungefickten Albinohühnern.
    »Krishna mag Milch«, säuselt Toga.
    Hinter ihm steht stumm und wimpernlos Maria Magdalena mit Armen voller Nelken- und Rosensträuße, die sie Blume für Blume köpfen, auffädeln, zu Girlanden winden und den heiligen Statuen um die hölzernen Hälse hängen wird. Der Scheich schnaubt. Er kann den Hindukram nicht leiden. Gott hat keine Gestalt, er darf nicht abgebildet werden, nicht geschmückt und schon gar nicht gefüttert wie ein Haustier. Ramzis gelbliche Augäpfel treten hervor.
    »Nasrudin«, krächzt er in gebrochenem Englisch, »gehen durch Blumengarten und werfen Brotkrumen. Als Nachbar fragen, warum tut, Nasrudin sagen: Wollen Tiger fern zu halten. Sagen Nachbar: Aber hier nix Tiger in herum zwanzig Meilen. Nasrudin antworten: Da du siehst, wie wirkt Brotkrumen. Hahahaha!«
    Toga und Venus sehen sich an. Der Scheich hat zusammenhängend gesprochen. Nicht sinnvoll, aber zusammenhängend.
    Ungerührt fährt Maria Magdalena fort, die duftenden Blumensträuße aus der Folie zu wickeln und die Blumenköpfe mit der Schere abzuschneiden. Das Schnippschnippschnipp der Schere und das Rascheln der Röckeist alles, was von ihr zu hören ist. Ob sie nicht nur stumm ist, sondern auch taub?, denkt Venus.
    Ramzi verlässt das Zimmer. Zurück bleiben der muffige Geruch seines ungewaschenen bunten Flickenmantels und das schmutzige Geschirr.
    Toga zündet ein Räucherstäbchen an und fuchtelt damit über dem Stuhl herum, auf dem der Scheich gesessen hat.
    Mau ist aufgetaucht, um nach Essbarem zu suchen. Der Rhythmus, in dem seinen Diäten Fressattacken folgen, ist atemberaubend. Mit einem Gesichtsausdruck, der sich jeden Kommentar aufs Entschiedenste verbittet, schichtet er sich vier Muffins auf die gut gepolsterte samtbraune Handfläche, kommt noch einmal zurück, greift schnippisch einen fünften und verschwindet.
    Venus ist schon eingeschlafen, als es hart an ihre Zimmertür klopft. Die Strickliesl schläft mit Ohrstöpseln und Schlafbrille und hört nichts. Venus’ Herz macht einen Sprung, ihre Hände fahren glättend über das Haar. Die absurdeste Variante erscheint ihr nahe liegend. Kommt Bliss Swami sie besuchen? Als sie zur Tür läuft, sieht sie, dass Bringfriede im Schlaf am Daumen lutscht. Ein altes Kind mit verwirbeltem rotem Haar, das Gesicht gelöst und friedlich, der kleine Körper schlafschwer und verbogen, die dürren Vogelwaden freigestrampelt. Fast hat unsere Venus ein zärtliches Gefühl für ihre Zimmergenossin. Allerdings wird das zärtliche Gefühl rasch abgelöst von Enttäuschung, als sie öffnet und nicht der Bliss Swami, sondern Alien vor ihr steht, mit verfilzten Haaren und diesmal stechend türkisfarbenen Augen.
    »Psssst«, sagt Alien, legt den Finger auf den Mund und brüllt: »Winter und ich wollen dir etwas zeigen.« Venusmöchte lieber in ihrem Zimmer bleiben, schon für den Fall, dass fünf Minuten später wirklich Bliss Swami sie besucht, was zwar unwahrscheinlich ist, aber nicht unmöglich. Nichts ist unmöglich.
    »Wir gehen zum Clubbing«, sagt Alien.
    »Ich habe nichts anzuziehen«, sagt Venus.
    »Stimmt«, sagt Alien mit einem amüsierten Blick auf ihren cremefarbenen perlenbesetzten Punjabi-Suit. »Vielleicht kann dir ja Winter was geben.«
    Alien, dessen weite, glänzende, mit Taschen und Schnüren übersäte Dreiviertelhose die Spargelhaftigkeit seiner unbehaarten Beine noch betont, nimmt die Protestierende bei der Hand und führt sie in Winters und sein Zimmer, das düster gestrichene Wände hat, die mit braunen Handabdrücken bedeckt sind.
    »Ist das Farbe?«, fragt Venus ahnungsvoll.
    »Nee, Blut«, sagt Alien. »Ich zieh mir das

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