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Venusblut - Schreiner, J: Venusblut

Venusblut - Schreiner, J: Venusblut

Titel: Venusblut - Schreiner, J: Venusblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Schreiner
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zuckte zusammen, unwillkürlich hob er seine Hand. Judiths Stimme in dieser Situation zu hören, machte ihn nervös. Obwohl es offenbar keinen Grund dazu gab. Die anderen Fußgänger schauten ihn zwar teilweise verwirrt oder verärgert an, aber die Verwirrung legte sich, sobald sie den kleinen, schwarzen Stecker in seinem Ohr – Joel hatte extra seine Haare zu einem Zopf zusammengefasst – erkennen konnten. Die Verärgerung jedoch blieb. Nicht jeder mochte Menschen, die mitten in der Stadt telefonierten. Sah auch ziemlich doof aus – und fühlte sich auch genauso an.
    »Jetzt links«, befahl die Stimme in seinem Ohr und Joel kam der Aufforderung nach, obwohl er sich merkwürdig ferngesteuert fühlte.
    »Rechts kommen gleich die Schließfächer.«
    »Sehe sie!«
    »Er hat die 7 gemietet und rate mal, wie die Kombination lautet?«
    »Keine Ahnung.«
    Joel versuchte den Spiegel zu ignorieren, an dem er vorbeiging. Doch das Spiegelbild zeigte nicht nur einen jungen Mann, der anscheinend Selbstgespräche führte und eine ziemlich kitschige Kette über seinem schwarzen Matrix-Mantel trug, sondern auch eine kleine Judith, die aus dem durchsichtigen Teil des mittleren Anhängers hinaussah und ihn dirigierte.
    Obwohl der Anblick extrem skurril war, schenkte Joel seiner Begleiterin ein Grinsen. Ob sie wusste, wie süß sie als angeschnallter Pilot aussah?
    »007«, löste sie das Rätsel und wartete einen Moment auf seine Reaktion. Als keine kam, verkündete sie: »Du bist echt ein Banause!«
    »Und du schrecklich süß.«
    »Hei, süß sind kleine Kätzchen.«
    »Miau«, meinte Joel, während er sich zu dem Schließfach hinabbückte und es mit der genannten Kombination öffnete. Ein einzelner Flyer lag darin.
    »Tui Reisecenter Bochum?«
    »Da buchen wir unsere Urlaube.«
    »Sehr unwahrscheinlich, dass er für Joline einen Urlaub gebucht hat, oder?«
    »Ich schlage vor, du rufst an und fragst.« Sekunden später war die Telefonleitung tot und noch zwei Sekunden später läutete sein Handy.
    »Vergiss es, ich rufe an!« Wieder hatte Judith aufgelegt, bevor Joel ein Wort sagen konnte. Ungeduldig schloss er Magnus’ Fach und pilgerte einmal den Gelsenkirchner Hauptbahnhof Richtung Neustadt entlang und zurück, bis sein Handy sich wieder meldete.
    »Er hat einen Fallschirmsprung beim Flughafen Marl gebucht, ihn aber nie angetreten.«
    »Flughafen Marl?«
    »Marl ist in der Nähe … ich habe mit Frau Schreiner telefoniert. Mit ihr sollten Joline und Papa springen. Aber angeblich ist sie lieber in den Schwarzwald gefahren, nach Simonswald.«
    »Also Simonswald?«
    »Ich denke nicht.« Judith atmete tief durch. »Joline und ich haben Heuschnupfen und ehrlich … dort war er am stärksten. Und wieso sollte ein Vampir einen Fallschirmsprung machen? Ich denke, die einzige echte Information ist
Flughafen

    »Also …?«
    »Also müssen wir nach Düsseldorf.«

32
    »Deirdre!« Unwillkürlich trat Maeve von der Vision einen Schritt zurück und beinahe in Hasdrubal hinein.
    Im nächsten Moment war die Erinnerung da, fuhr wie ein unsichtbarer Schmerz durch ihre Adern, brannte in ihrem Verstand und ließ sie zitternd in die Knie gehen.
    »Nein!« Verzweifelt schloss Maeve die Augen und hielt sich die Ohren zu. Doch die einmal vergessene Vergangenheit war wieder da, ließ sich nicht leugnen oder aussperren, nicht mehr verdrängen.
    Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auf ihrer Haut, die Sommerhitze. Schweißtropfen, die ihre Stirn hinab liefen, als sie dem Weg nach oben folgte. Zu der Felsenwohnung, die ihre Mutter, die unter dem Namen Lilith bekannte Seherin und Orakel, kaum noch verließ. Und wenn, dann nur noch nach Einbruch der Nacht. Selbst heute, an ihrem fünfundsechzigsten Geburtstag, hatte sie darauf bestanden, ihre drei Kinder erst bei Nacht zu treffen
.
    Maeve erinnerte sich an ihre vage Schwermut, mit der sie die selbstgebackenen Küchlein betrachtet hatte, und daran dachte, dass ihre einst überwältigend schöne Mutter immer mehr unter ihren Visionen litt – und darunter zu altern
.
    Wie im Zeitraffer erlebte sie den Tag noch einmal
.
    »Mutter!« Ihre eigene Stimme klang weicher. Die Sprache, der sie sich bediente, war noch ebenso melodisch und mit einem leichten Akzent behaftet, wie Jahrhunderte später
.
    Sie betrat die Wohnung, und der kräftige Griff, mit dem sie sofort überwältigt wurde, überraschte sie völlig. Als sie zur Gegenwehr ansetzte, war es bereits zu spät. In der Schockminute hatte ihre

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