Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
bin mir sicher, du wirst bald großen Appetit auf sie haben!«
Zum ersten Mal gab Magnus einen Laut von sich. Er klang wie ein zum Tode Verdammter. Eine verlorene Seele, die um die kommenden Höllenqualen wusste. Ungläubig sah Maeve mit an, wie ihre Mutter die Reißzähne in den Hals ihres Sohnes schlug. Maeve schloss die Augen, aber das sabbernde, ekelerregende Geräusch des Trinkens konnte sie nicht ausschließen. Es drang durch ihr Bewusstsein und verursachte Übelkeit, stärker als alles Vorangegangene
.
Als die Geräusche verstummten, zwang sich Maeve, wieder hinzusehen. Neue Tränen sammelten sich in ihren Augen, als sie ihren Bruder bleich und tot liegen sah. Ihre Mutter sah ihn mit blutverschmiertem Gesicht an, liebevoll und ein stolz
.
Dann hob sie den Dolch
.
Der Laut, den der Schnitt durch ihr linkes Handgelenk verursachte, brachte Maeve zum Würgen. Und nur der Schmerz, den die Erschütterung der Übelkeit mit sich brachte, riss sie abermals fort von der lauernden Dunkelheit des Todes
.
Dann hörte sie das Lied. Ein altes Kinderlied, das Lilith ihnen immer vor dem Schlafen vorgesungen hatte. Vertraut und liebevoll griff es nach ihren Gedanken,brachte die schönen Erinnerungen an ihre Kindheit wieder zum Klingen und blendete für kurze Sekunden die Panik und den drohenden Tod aus
.
Zitternd versuchte Maeve, ihren Atem in eine Regelmäßigkeit zu zwingen, doch die Tränen und ihr Blut, in dem sie lag, erschwerten den Versuch und brachten sie wieder zum Weinen
.
Lilith presste ihre blutende Wunde an Magnus Mund. Maeve schluchzte und versuchte ihren Kopf zu heben, um nicht ihr eigens Blut an ihren Lippen zu spüren
.
Da war es wieder: Das ekelerregende Saugen, furchtbar und angsteinflößend. Magnus trank!
»Nein!« Maeve schüttelte den Kopf. Lilith würde ihn in ein Monster verwandeln. Ihren geliebten Bruder!
Hilflos musste sie mit ansehen, wie Magnus Zug um Zug trank. Mit jedem Quentchen Blut saugte er Lebenskraft und Gesundheit in seinen Körper zurück. Aus Lilith heraus. Schließlich ließ er von ihr ab. Ein Zittern lief durch seinen Körper, dann brach er zusammen und rührte sich nicht
.
Lilith stand ein wenig torkelnd auf und wandte sich ihrer sterbenden Tochter zu. Dabei lachte sie leise. »Ihr werdet mich nicht töten.«
Maeve besaß nicht mehr genügend Kraft, um sich gegen ihre Mutter zu wehren, als diese sich zu ihr beugte und sie mit überraschender Kraft zu sich zog
.
»Du wirst deine Schwester nicht töten.«
Der Biss in ihren Hals war überwältigend und schmerzhafter als die pochende Wunde. Sie konnte nicht mehr atmen, ihre Lungen begannen zu schmerzen, ein silberhelles Glitzern, das sich durch ihren Körper fraß und jedes andere Gefühl auslöschte
.
Trotzdem konnte Maeve die Wahrheit spüren. Ihre Mutter hatte ihren eigenen Tod durch die Hand ihrer Kinder gesehen
.
Eine Vampirin wird Morna töten!
Plötzlich waren die Gedanken weg, der Druck an ihrem Hals und das Ziehen des Blutverlustes. Die Qualen waren ebenso unvorstellbar wie der Durst und brachten Maeve zum Wimmern
.
Sie öffnete die Augen, von denen sie bisher nicht gewusst hatte, dass sie geschlossen waren, und sah in das Gesicht ihrer Mutter. Das Leben war aus ihm gewichen, der Dolch steckte tief in ihrem Nacken, trennte das Gehirn von den Nervenbahnen. Blut rann aus der Wunde, verlockend rot, verlockend langsam. Der Duft war verführerisch. Maeve gab einen animalisch verzweifelten Laut von sich, als sie näher an den Ursprung des aphrodisierenden Duftes heranrutschen wollte, es ihr aber nicht gelang
.
Das Gesicht ihrer Schwester schob sich in ihr Blickfeld und ihre Lippen bewegten sich, doch Maeves Bewusstsein hörte nur ihren eigenen Herzschlag, nahm nur denDuft des Blutes wahr, während alles andere hinter weißer Watte verschwunden war, unwirklich und ihr ebenso fern wie die Schmerzen. Ihre Realität fixierte sich einzig auf das Wollen, Verlangen und Überleben. Und auf Liliths Blut
.
Mornas Gesicht verschwand und machte Sekunden später Magnus’ Antlitz Platz. Maeve war näher an ihre tote Mutter gerückt, versuchte, ihr Blut vom Boden zu lecken
.
Sie wehrte sich, als er sie von der Quelle der Wohlgerüche fortrollte und ihre Wunde betrachtete, wehrte sich, als er ihren Kopf anhob, wehrte sich noch, als er ihr sein blutiges Handgelenk auf den Mund drückte
.
Dann hob er sie hoch, presste seinen Mund auf ihren und zwang sie zu einem Kuss. Im nächsten Moment erfüllte sein Blut ihre Welt. Heiß und
Weitere Kostenlose Bücher