Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
Vorgang, der schneller ging als das Fokussieren ihres innerlichen Tohuwabohus, das sich immer noch irrsinnig schnell drehte, in immer gleichen Kreisen, immer um Joline und um Joel. Nur langsam, schrecklich langsam wurde der schwindelerregende Taumel wahrnehmbarer, Joel konnte erkennen, dass es zu lange dauerte, doch er konnte und durfte nicht aufhören, musste weitermachen, ihr mehr Blut geben – bis die Verbindung da war, komplett und ausschließlich zwischen ihm und ihr – auch wenn es zu viel Blut war, zu viel kostete, alles kostete.
Er konnte spüren, wie sein Körper versuchte, mit immer weniger Blut seinen Kreislauf stabil zu halten, sein Herz begann schneller zu schlagen, während Zug um Zug weniger Flüssigkeit in seinen Adern zirkulierte. Joel schloss die Augen, weil ihm leicht schwindelig wurde, vom Blutverlust oder von Judiths Gedanken, die langsam zum Stillstand kamen, vermochte er nicht zu unterscheiden. Kurz versuchte sein Überlebensinstinkt gegen Judiths Griff an seinem Arm, den Druck ihrer Lippen an der Wunde zu kämpfen, doch Joel rang das Bedürfnis nieder und konzentrierte sich. Endlich, endlich konnte er Judiths Gedanken einfangen und bündeln. Auf sich. Bemüht, die Liebe zu ihr unter Verschluss zu halten, damit sie nicht leiden musste, wenn er starb – sollte sie ihn ruhig als wütenden Wortbrecher und Hexenhasser in Erinnerung behalten – und darum, seinen niederen Trieben, die allesamt danach schrien, ihr seinen Stempel aufzudrücken und sie zu dem magischen Vampirbund zu zwingen, nicht zu gehorchen, konzentrierte sich Joel auf all sein Wissen. Er würde Judith nicht gänzlich allein lassen, nicht ohne Informationen und komplett unwissend. Joel stellte ihr alles zur Verfügung, alles, was ihn ausmachte, jede Erinnerung, so klein und unbedeutend sie auch sein mochte. In Sekundenbruchteilen hatte er es geschafft, Judiths Geist aus den Fängen des schwarzen Loches gezogen, mit Kenntnissen gefüllt und ihren Körper den letzten mentalen Anschubser gegeben.
Joel sackte kraftlos neben Judith zusammen, als sie die Augen aufschlug und sich verwirrt umsah.
Nie hat sie schöner ausgesehen
, dachte er und fühlte sich seltsam leer, losgelöst von seinem Körper und von den Geschehnissen um ihn herum. Ihr Blick fing seinen auf und obwohl er sah, wie sich ihre Lippen bewegten, konnte er keinen einzigen Ton hören. Trotzdem gelang es ihm, ihr ein tröstliches Lächeln zu schenken. Sie sollte kein schlechtes Gewissen haben!
Sie beugte sich zu ihm und am liebsten wäre er von ihr fortgerückt, hätte sieangebrüllt, dass sie eine Missgeburt war, ein Unding der Natur, damit sie endlich aufhörte, ihn so anzusehen. Wie sollte er sterben können, wenn sie deswegen litt?
Plötzlich fühlte er Wärme in seinem Inneren. Sie breitete sich nicht aus, entsprang nicht einem bestimmten Punkt, sondern war plötzlich da, überall und hüllte ihn förmlich ein. Ein Gefühl, das er nie zuvor gespürt hatte. Er fühlte sich … warm … geborgen … Als könne keine Schlechtigkeit der Welt ihm je wieder etwas anhaben.
Tränen liefen über Judiths Wangen und er hörte ihr erleichtertes Lachen, noch bevor er begriff, dass sie tatsächlich Magie gegen ihn verwandt hatte – um ihn am Sterben zu hindern!
»In Ordnung… ich bin ein kleines bisschen beeindruckt.« Artabanos trat einen Schritt näher. »Aber nicht genug« Der Druck verstärkte sich wieder. »Wo ist das Elixier?«
Judith stand auf, ihres Wissens und ihrer Verwandlung durch das Elixier unumstößlich sicher. »Ich BIN das Elixier!«
38
Artabanos starrte Judith immer noch reglos an, als es Joel endlich gelang, sich aufzurichten und zu ihr zu treten. Gemeinsam wandten sie zu dem immer noch fassungslos erstarrten Artabanos.
»Stört ihn nicht!« Xerxes löste sich von der Wand und warf Judith mit einem beruhigenden Lächeln Jolines silbernen Ring zu. »Ihm ist gerade klar geworden, dass er schachmatt gesetzt ist.« Obwohl seine Stimme Humor enthielt, verriet ihn sein trauriger Blick.
»Schachmatt?« Judith ließ ihren Blick über die Vampire wandern, die teilweise ungläubig fasziniert und teilweise verwirrt auf ihre Offenbarung reagiert hatten.
»Ja, dieses Mal wird es kein Remis geben.« Xerxes Stimme war trotz der Trauer in seinen Augen schneidend und die Lautstärke seiner Worte sorgte dafür, dass die Rebellen vor der Wohnung die Flucht antraten.
Auch Artabanos erwachte aus seiner Erstarrung. Er kam nicht weit. Judiths Natur hatte eingegriffen,
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