Venuskuss
Preis.“
Serena runzelte die Stirn. Natürlich. Als ihr Kate vor zwei Wochen erzählt hatte, dass der Pascha Justins Identität gegenüber Queen Victoria bestätigen würde, war ihr diese Lösung viel zu glatt erschienen. Aber sie hatte an eine einfache Lösung glauben wollen, deshalb hatte sie sich gegenüber der warnenden Stimmen in ihrem Kopf taub gestellt. Sie wappnete sich für Kates nächste Worte.
„Ich muss den Pascha begleiten, freiwillig und … freudig, wie er sagte. Zuerst auf seine Reise durch Europa und dann zurück nach Alexandretta. In seinen Harem.“
Serena schloss die Augen. Das war noch schlimmer als sie gefürchtet hatte. „Also ist er doch deinetwegen nach England gekommen?“
„Ich weiß es nicht, darüber haben wir nicht gesprochen. Und das ist jetzt auch egal“, setzte Kate hinzu und verschlang die Finger im Schoß. Sie wirkte völlig hilflos und verloren. Noch nie hatte Serena ihre Freundin in einem derartigen Zustand gesehen, deshalb versuchte sie, sich auf die wesentlichen Tatsachen zu konzentrieren.
„Hast du dem Pascha gesagt, dass du Justin liebst und ihn nur deshalb begleiten wirst?“, fragte Serena pragmatisch. „Um Justins Leben zu retten?“
„Nein, natürlich nicht.“
Serena unterdrückte ein Seufzen. Irgendjemand musste diese verfahrene Situation in Ordnung bringen. Und da es nicht danach aussah, als ob ein Engel mit feurigem Schwert vom Himmel fallen und für Gerechtigkeit sorgen würde, war sie dieser Jemand. Der Pascha war ein ganz normaler Mann, kein Gott, wie Kate immer anklingen ließ. Bestimmt ließ er sich von der Absurdität seiner Forderung überzeugen. Im Zweifellsfall konnte sie auch eine finanzielle Abgeltung anbieten. Seit Wills Tod kannte sie keine Geldsorgen mehr. „Ich gehe mit dir zum Pascha“, sagte sie mit fester Stimme.
Kates Kopf ruckte hoch. „Das tust du nicht.“
„Oh doch, wenn ich dich schon hergeben muss, dann will ich ihm klar machen, dass er dich gefälligst gut zu behandeln hat.“ Sie hatte nicht die Absicht, Kate mit dem Pascha gehen zu lassen, aber das behielt sie besser für sich. Kate würde es früh genug merken.
„ Er spricht kein Englisch.“ Kates Stimme zitterte.
Fantastisch. Die Sache wurde immer besser. Ohne sich ihre Gedanken anmerken zu lassen, wischte Serena den Einwand mit einer unwirschen Geste beiseite. „Dann wirst du eben übersetzen. Oder irgendein anderer aus seinem Gefolge.“
Kate schwieg und zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel, um sich die Nase zu putzen und die Tränen zu trocken. Entweder fehlte ihr die Kraft für die weitere Auseinandersetzung oder sie akzeptierte die Entscheidung.
Serena blickte aus dem Fenster und machte keine Anstalten, das Schweigen zu brechen bis der Wagen vor dem Huntington Palace hielt, in dem die osmanische Delegation untergebracht worden war.
Ein Lakai geleitete sie in einen exquisit ausgestatteten Salon. Schwere Kristallleuchter hingen von der Decke, und auch auf dem Tisch in der Mitte des Raums standen zwei sechsarmige, mit funkelnden Glassteinen dekorierte Kerzenleuchter.
Serena sah sich beeindruckt um. „Wenn das der Rahmen für ein kleines Tête-à-Tête ist, dann will ich gar nicht wissen …“
Sie brach ab, denn eine Tür öffnete sich und ein hochgewachsener, schwarzhaariger Mann trat ein. Seine Kieferlinie wurde von einem dünnen Sarazenenbart betont, der seinen Mund umrahmte. Er mochte Mitte Dreißig sein und Serena erinnerte sich vage daran, ihn auf Bällen und Gesellschaften aus der Entfernung gesehen zu haben.
Unwillkürlich hielt Serena den Atem an, denn die Luft im Raum schien plötzlich zu vibrieren. Karim Pascha blieb mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihnen stehen. Arroganz und Macht umgab ihn wie ein glitzerndes Gespinst. Der Kaftan, den er trug, war bis zum Nabel geschlitzt und ließ viel von seiner samtigen Haut sehen. An seinen Fingern funkelten zahlreiche, mit bunten Edelsteinen besetzte Ringe. Während Kate in einen Hofknicks versank, hob Serena den Blick zu seinem Gesicht. Dunkle Augen glitten gleichgültig über sie hinweg, um auf Kates gesenktem Kopf zu verharren.
Da Serena eine derartige Missachtung nicht gewohnt war, trat sie einen Schritt vor und streckte ihren Arm in der exakten Höhe aus, die klar machte, dass sie einen Handkuss erwartete. Der Mann bewegte sich seit geraumer Zeit in der britischen Gesellschaft, er musste also die Grundregeln kennen.
Einen Moment lang schwebte ihr Arm in der Luft, dann wandte sich der
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