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Venuskuss

Venuskuss

Titel: Venuskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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wir uns zu Tisch begeben? Oder wollen Sie sich frisch machen und umziehen?“
    Er bot ihr eine kurze Flucht an, eine Gelegenheit, sich zu sammeln und zu sich zu kommen. Aber Ausflüchte waren noch nie ihre Sache gewesen. „Vielleicht später, Mr. Al-Zafar. Jetzt habe ich Hunger und der Koch wird eine weitere Verzögerung nicht gutheißen.“
    Der Pasche zuckte die Schultern. „Warum sollte uns das kümmern? Aber auch ich habe Hunger. Also kommen Sie.“ Er ging durch den Raum bis er beim festlich gedeckten Tisch stand. Serena folgte ihm und setzte sich auf einen Stuhl, den er ihr zurecht schob. Kaum, dass er sich ihr gegenüber niedergelassen hatte, erschien eine Reihe orientalisch gekleideter Diener, die den Tisch mit reichlich gefüllten Platten und Schüsseln füllten.
    Als sie mit dem Vorlegen begannen, gebot ihnen der Pascha mit einer Handbewegung Einhalt. „Wir bedienen uns selbst.“ Er griff nach dem Tranchierbesteck, wandte sich aber noch einmal den Dienern zu, um ihnen in seiner Sprache Anweisungen zu erteilen. Die Männer nickten und verschwanden nach einer ehrerbietigen Geste.
    Serena sah ihm zu, wie er das gebratene Huhn in mehrere Teile zerlegte. Geschickt und ohne Zögern handhabte er das lange Messer – etwas, das die Männer ihrer Gesellschaftsklasse nie getan hätten. Körperliche Arbeit – und auch diese Dinge zählten dazu – war ihnen verpönt. Sie hätten das Huhn in der Küche zerteilen lassen oder bei Tisch von einem Diener, aber niemals selbst Hand angelegt.
    Die Juwelen an seinen Fingern fingen das Kerzenlicht ein, als er ihr die Stücke auf den Teller legte und sich danach selbst bediente. Serena reichte ihm die Schüssel mit den Stampfkartoffeln und versuchte sich an einem strahlenden Lächeln, während sich ihr aus unerklärlichen Gründen die Kehle zuschnürte.
    Es musste an seiner Präsenz liegen, an etwas, das sie nicht genau benennen konnte und das den Raum verengte, bis die Wände sie zu erdrücken schienen.
    Der Pascha merkte nichts davon. Er aß mit gutem Appetit, während sie gefühlte Stunden auf einem Bissen herumkaute.
    Als sie schließlich den nahezu unberührten Teller von sich schob, beugte er sich vor. „Nicht Ihr Geschmack, Lady Dexter? Soll ich etwas anderes kommen lassen?“
    Sie schüttelte den Kopf und tupfte den Mund mit der Serviette ab. „Nein, ich habe wohl weniger Hunger als ich gedacht habe.“
    Er griff nach einer Silberplatte, auf der sich fremdländisch anmutender Konfekt und kandierte Früchte befanden und hielt sie ihr hin.
    „Danke, ich bin wirklich satt.“ Wieder versuchte sie zu lächeln.
    Mit einem Schulterzucken stellte er die Platte beiseite und nahm eine mit Marzipan gefüllte Dattel, die er langsam in den Mund schob. Während er bedächtig kaute, sah er sie unverwandt an.
    „Sie haben Angst, Lady Dexter.“
    Serena lachte ein wenig zu laut. „Angst? Wovor sollte ich Angst haben? Etwa vor Ihnen, Mr. Al-Zafar?“
    „Karim“, verbesserte er. „Vielleicht haben Sie vor mir Angst, vielleicht haben Sie aber auch Angst, dass Sie Ihrer Entscheidung doch nicht gewachsen sind.“
    „Nein“, sagte Serena entschieden. „Ganz und gar nicht. Es ...“
    Der Stuhl des Paschas schrammte mit einem hässlichen Geräusch über das Parkett. „Dann kommen Sie, meine Liebe.“ Er stand auf und streckte ihr die Hand entgegen.
    Serena starrte auf seine langen Finger mit den unzähligen Ringen. Sie wusste nicht, warum sie wie festgeklebt sitzen blieb. Nichts an der Situation sollte sie überraschen. Sie war hier, um Kates Platz im Bett des Paschas einzunehmen. Und noch vor kurzem war ihr dieser Gedanke ausgesprochen verlockend erschienen. Was war geschehen, was hatte sich verändert?
    Vielleicht lag es an der Art, wie er sich verhielt. Sie kannte die Spielregeln der Londoner Ballsäle, das kokette Hin- und Her, das dem finalen Akt voranging. Männer hofierten sie und schmeichelten ihr, ehe sie mit ihnen ins Bett stieg. Sie gaben ihr zumindest für den Augenblick das Gefühl, begehrenswert zu sein.
    Aber die kühle Sachlichkeit, die der Pascha nach dem kurzen Aufblitzen seiner Leidenschaft jetzt an den Tag legte, verwirrte sie. Wenn er über sie hergefallen wäre, ihr die Röcke hochgeschoben und sie auf dem Teppich genommen hätte wie der Barbar, der er war – damit hatte sie insgeheim gerechnet. Dann hätte sie sich zumindest als Opfer fühlen können. Eine Entschuldigung für alles, was noch kommen mochte.
    Doch diesen Gefallen tat ihr der Pascha nicht.

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