Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers
an Jef war mit viel Putzen verbunden.
Wir heiraten noch nicht, hatte Vera gesagt, und wenn, dann mieten wir das Jacob und setzen uns auf die Lindenterrasse und denken an Max Liebermann und an Gustav.
Anni war nicht zu Scherzen aufgelegt.
»Höchste Zeit, dass hier mal ordentlich sauber gemacht wird«, sagte sie, »ist ja schließlich mitten im schönsten Frühling.«
Vera verschanzte sich wieder hinter ihrem Schreibtisch.
Perak spielte immer noch. Leo rief nicht zurück.
Vera hatte allmählich das Gefühl, dass ihre Freundin nicht nur Nick aus dem Wege ging. Was sollte das?
Mit vierunddreißig war Leo zu jung für eine Midlife-Krise.
Vera hob den Telefonhörer und legte ihn wieder hin.
»Gustav, was sagst du dazu?«, fragte sie und sah das große silbergerahmte Foto an. Gustav Lichte in jüngeren Jahren.
So hatte er ausgesehen, als Vera geboren worden war.
Ein eleganter Endsechziger. Mit einem Schnurrbart, den er später leider hatte abrasieren lassen. Weil der die Nase nur verkürzt, hatte er gesagt, ist doch das Schönste an mir.
Vera seufzte und sah zu dem Foto. Familienglück zu dritt.
Gustav lächelte Vera an, Nelly die Kamera.
»Vielleicht bin ich zu hart mit Nelly«, sagte Vera, als Anni ins Zimmer kam. »Soll ich sie anrufen und ihr von Jef erzählen?«
Anni knurrte. Vera glaubte kaum, dass das länger Jef galt.
»Schließlich ist sie meine Mutter«, sagte Vera und war wenig überzeugt von den eigenen Worten.
Weil Gott nicht überall sein konnte, schuf er die Mutter.
Auf wen traf das besser zu als auf Anni.
Das Telefon klingelte, und Vera hob ab.
»Leo, endlich«, sagte sie.
Doch Leo hatte nur gerade Zeit, um eine kleine Verabredung für den Abend zu treffen. Sich schnell mal sehen.
»Komm zu mir«, sagte Vera, »Gin trinken. Beine hochlegen.«
»Ich muss dir was erzählen«, sagte Leo und klang hektisch.
»Also doch«, sagte Vera und sah zu Anni, die angefangen hatte, die Bücherschränke zu wischen. Mit einem Lappen, der mal teuer bei Harrods gekauft worden war. Das Ende eines Schlafanzuges. Leo hatte schon aufgelegt.
Ich kann heute Abend nicht, hatte Vera gesagt, ich muss mir meine beste Freundin vorknöpfen.
Jef war enttäuscht gewesen. Doch später am Abend schlug die Enttäuschung beinah in Dankbarkeit um, dass Vera nicht am Flügel stand und sang. Zwei der Herren kamen ins Lokal.
Die beiden älteren, die Love Me Tender um den Verstand gebracht hatte. Das schien ihnen Leid zu tun.
Sie sprachen nicht. Warfen ihm nur den einen und anderen Blick zu. Vera hätte die Spannung in der Luft gleich bemerkt und vermutlich den Mund nicht gehalten.
Den Chef bekam er gar nicht zu Gesicht. Der blieb die ganze Nacht im Büro. Doch die Herren harrten aus. Bis zum bitteren Ende um vier Uhr morgens. Die letzten Gäste gingen gerade, als sie zu dritt ins Büro gebeten wurden.
In einem der Sessel saß ein junger Kerl und gab den Harten. Das Leder seiner kurzen Jacke quietschte auf dem Leder des Sessels, kaum dass der Junge sich bewegte.
Dem Chef hinter dem Schreibtisch schien das Geräusch nicht angenehm zu sein. Er saß mit verzogenem Gesicht da und sah aus, als sei er selber nur Opfer in diesem Spiel.
Jef bezweifelte das, obwohl er kaum begreifen konnte, dass einer schlecht war, der so viel von Musik verstand.
Im Grunde glaubte er immer noch an das Gute oder hatte wieder angefangen, daran zu glauben.
»Die Herren sind nur hier, um nochmal zu bestätigen, was wir beide schon besprochen haben.«
Jef nickte. Hatten sie Angst, dass er noch nicht genügend eingeschüchtert war? Er sah zu dem Jungen hin, der die eichenverkleidete Decke betrachtete.
»Jorge ist älter, als er aussieht. Und gefährlicher.«
Jef seufzte. Gleich würde er sagen, dass Jorge ein scharfes Messer hatte. Fast fand Jef es lächerlich.
»Das hier ist hartes Geschäft, Jef.«
Jef nickte noch einmal ergeben. Was sollte das Ganze?
»Einer der Herrn wurde gestern ganz unerwartet auf das Geschäft angesprochen. Sie haben doch nicht gequatscht?«
Jetzt war Jef erschrocken. »Natürlich nicht«, sagte er.
Der Chef sah einen der älteren Herren lange an.
»Tun Sie es auch nie, Jef.« Der Chef stand auf und mit ihm alle anderen. Auf dem Kiez funktionierten Hierarchien noch.
»Ich schätze Sie sehr, Jef«, sagte der Chef und öffnete die Tür zur Bar. »Sie sind der beste Pianist, den ich je hatte.«
»Leg dich auf die Chaiselongue«, sagte Vera, »ich hole nur mal Annis kalte Platte aus der Küche.«
Leo legte sich
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