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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Wohnung geschwebt, als sei sie die Fee Glöckchen und keine Frau von einsachtundsiebzig.
    Jef, dachte Anni. Was für ein komischer Name.
    Sie faltete das Stück Flanell noch einmal neu und polierte ein letztes Mal Schild und Klappe. Durch die gläserne Kuppel im obersten Stock fiel das helle Tageslicht und fing sich im geputzten Messing. Sie war zufrieden.
    Wird alles schön sauber sein, wenn der Kerl kommt, dachte Anni. »Jef«, sagte sie laut.
    Vielleicht sollte er einen Spion einbauen lassen, obwohl es sich für herrschaftliche Türen kaum gehörte, ein solches Guckloch zu haben. Philip Perak seufzte. Er hätte gern die Tür geöffnet, um zu sehen, was die Alte da trieb.
    Perak presste ein Ohr an seine herrschaftliche Tür und hörte die Hexe vor sich hin brabbeln. Dann fiel die Briefklappe zu.
    Er glaubte beinahe einen Anspruch auf die verdammte Klappe zu haben, so viele Gedanken, wie er sich darüber machte. Letzte Nacht war er allerdings mit dem beklemmenden Gefühl aufgewacht, etwas Dummes tun zu wollen. War es nicht viel zu gefährlich, in die Wohnung seiner prächtigen Nachbarin einzudringen? Bestand doch schließlich die Möglichkeit, dass sie sein Kommen nicht schätzte.
    Vielleicht konnte genau das der Tropfen zu viel sein. Waren es nicht oft Nichtigkeiten, die einen zu Fall brachten?
    Philip Perak war sich immer noch sicher, dass Vera ihn nur näher kennen lernen müsste. In guten Augenblicken sah er sich vierhändig spielen mit ihr. In schlechten lag sein Hals unter dem Beil eines Henkers.
    Er hörte die Tür nebenan ins Schloss fallen und öffnete seine eigene. Nichts zu erkennen an der Nachbarstür nach diesem ganzen Getue. Vermutlich hatte die Alte Stacheldraht in die Briefklappe gelegt.
    Er durfte sich nicht zu sehr auf diesen prächtigen Vogel versteifen. Lieber das eine oder andere Vögelchen fangen, um sich abzulenken und die Lust zu zügeln. Es war nie gut für ihn gewesen, zu lange auf ein Ziel hin zu leben und die Ventile nicht zwischendurch mal zu öffnen.
    Im August des letzten Jahres war darum alles eskaliert.
    Er hätte einfach das Vögelchen vögeln sollen, ohne dies von zu zweit verlebten Tagen in einem kleinen Seebad abhängig zu machen. Tage, die seine Mutter verboten hatte.
    Immer neue Unpässlichkeiten präsentierte sie, um ihn im Haus zu halten. Als sie dann tatsächlich tot war, hatte das Vögelchen schon einen anderen gefunden.
    Philip Perak stellte sich vor den großen alten Spiegel in der Diele. Beinah deckenhoch war er und in einem schweren barocken Goldrahmen gefasst. Ein Erbstück. Wie vieles.
    Perak sah hinein und hob die Brauen in die Höhe.
    Vielleicht sollte er doch lieber ehrlich sein mit sich.
    Hatte er je ein Vögelchen gevögelt?
    Nein. So weit war er noch nicht gegangen. Immer wurde er vom Vorspiel aufgehalten. Er war eben ein Mann, der das lange Vorspiel liebte. Das war doch en vogue. Oder?
    Er betrachtete sich aufmerksam. Ein gut aussehender Mann von einundvierzig Jahren. Dunkles volles Haar. Seine Mutter hatte bis zuletzt ihr dunkles Haar gehabt. Perak strich über seinen dünnen schwarzen Oberlippenbart.
    Er sehe aus wie ein Eintänzer, hatte ihm die dralle Dame aus der letzten missglückten Inszenierung am Ende zugezischt.
    Eintänzer. Philip Perak wandte sich vom Spiegel ab.
    Diese Vera ließ sich sicher gut vögeln.
    Doch er sollte vorher nochmal auf die Pirsch gehen. Sonst geschah es ihm nachher, dass er die Kontrolle verlor und über seine Nachbarin herfiel und sie verstörte.
    Philip Perak trat in seinen Salon und setzte sich an den Flügel. Hatte er nicht die besten Einfälle, wenn seine Hände über die Tasten glitten? Ein zügig gespielter Scarlatti. Die Katzenfuge vielleicht, die in ihren kühnen und scheinbar zufälligen Schritten ein geistvoller Scherz Scarlattis war.
    Auf die Pirsch gehen. Ein Ventil öffnen. Vielleicht sollte er mal ein ganz anderes Terrain erkunden.
    Drüben spielte Perak, und es klang, als ob eine Katze über die Tasten liefe. Vera stand vom Schreibtisch auf und trat in den Putzeimer hinein, in dessen Wasser ein englisches Bohnerwachs gegeben worden war, um das Parkett auf Hochglanz zu bringen. Die Vorhänge vorne waren schon abgehängt. Von Vera, die die alte Anni nicht mehr gern auf der Leiter sah. Das Telefon klingelte, aber es war immer noch nicht Leo, die seit Stunden zurückrufen sollte, sondern der Reinigungsdienst, der die Vorhänge erst am Abend abholen wollte. Vera fand den Tag wahnsinnig gemütlich.
    Annis Annäherung

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