Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
angelegt hat. Eine Seite dünn. Die Akten sind alle in der Stärke. Vielleicht ein Dutzend.«
»Habt ihr die mal angeguckt.«
»Kummer hat die von der Gorska gesehen.«
»Vielleicht gab es Kontakte untereinander«, sagte Nick.
Pit parkte vor dem Haus in Marienthai ein. Mittelbürgerlicher Backstein. Schmiedeeisen. Ein bescheidener Traum vom eigenen Heim. Bimbi und Kurt Bielfeldt stand auf dem Türschild aus Messing.
»Die Beerdigung ist morgen«, sagte Bielfeldt. Seine Begrüßungsworte. Die Leiche war freigegeben worden. Nichts mehr an ihr zu entdecken.
Bimbi hatte ein eigenes Zimmer gehabt. Lauter Stofftiere.
»War Ihre Frau katholisch?«, fragte Pit. Einer seiner Versuchsballons.
Bielfeldt hätte beinah gelacht. »Eher esoterisch«, sagte er.
Im Schlafzimmer hing ein Traumfänger über dem Doppelbett.
Auf dem Nachttisch stand eine Lampe aus Himalajasalz.
»Sie hat sich was Kindliches bewahrt«, sagte Bielfeldt, »eine Sehnsucht nach Behütetsein. Die Eltern sind kurz hintereinander gestorben, da war sie sechs.« Er fing an zu weinen.
Keine Erkältung. Kein Taschentuch.
»Und Sie immer auf See«, sagte Pit.
Kurt Bielfeldt nickte.
Der Herr Hauptkommissar zückte das Foto.
Bielfeldt sagte, er habe diese Frau noch nie gesehen.
Nick hatte noch kein Wort gesagt. Seit sie Kurt Bielfeldt durch die Zimmer folgten, schaute er nur um sich. Im Wohnzimmer blieb er vor einem Stickbild stehen, das dort gerahmt hing.
Ein Kind, das aus einer Knospe wuchs. An einem Tag im November geboren und gestorben. 1990. Geburtstag und Jahreszahl mit rosafarbenem Garn gestickt. Kein Name.
»Da kannten wir uns noch nicht«, sagte Bielfeldt. »Das Kind hat sie verloren. Darum war es für Bimbi schwierig, schwanger zu werden. Ist was vermurkst worden damals. Das Bild hat sie gestickt.«
»Wissen Sie, wer der Vater war?«, fragte Nick.
Bielfeldt schüttelte den Kopf. »Da durfte ich nicht dran rühren«, sagte er, »hat aber keinen Kerl gegeben, der Anspruch auf sie erhoben hätte.«
»Auch Ihr Bruder nicht?«, fragte Pit.
Bielfeldt sah sehr erstaunt aus. »Der schon gar nicht«, sagte er.
»Haben Sie die Sachen Ihrer Frau nochmal durchgesehen?«
»Ich hab nichts gefunden, was uns was sagen könnte«, sagte Kurt Bielfeldt. »Kann mir auch immer noch nicht erklären, was Bimbi mitten in der Nacht in Barmbek gemacht hat.«
»Kennen Sie den Bekanntenkreis Ihrer Frau?«
Bielfeldt trat ans Fenster. Er hätte die dicke Gardine wegziehen müssen, um wirklich hinaussehen zu können. »Vielleicht habe ich was nicht mitgekriegt«, sagte er, »wo ich doch so viel unterwegs war.« Er drehte sich um. »Irgendeinen Vorwurf macht man sich immer«, sagte er. »Bimbi war nicht gemacht fürs Alleinsein. Da hat sie sicher gelitten.«
Der Herr Hauptkommissar hätte gerne gefragt, ob sich Bielfeldt je Gedanken über die Treue seiner Bimbi gemacht hatte. Er tat es nicht. Abwarten, wer alles an der Beerdigung teilnahm.
»Der Reif mit dem Skarabäus hat sich nicht eingefunden?«, fragte Pit.
»Dann hätte ich Sie doch informiert.«
»Hat Ihre Frau viel Schmuck besessen?«
Kurt Bielfeldt ging zu dem Wohnzimmerschrank aus weißem Schleiflack und holte eine lederne Schmuckkassette hervor. Er gab sie Pit. Teurer Schmuck, doch austauschbar.
Die kleine Blechbrosche lag unter einem schweren Goldarmband. Gernhardt legte sie auf seine Hand, als sei sie ein seltener Käfer.
»Die hat sie immer schon gehabt«, sagte Kurt Bielfeldt, »aber kaum getragen. Billiger Kram. Keine Ahnung, woher die kommt.«
Pit betrachtete die drei Perlen im Goldblech, die dicht nebeneinander lagen. Die Brosche sah aus wie die der Gorska.
Bielfeldt hatte nichts dagegen, dass Pit sie mitnahm.
Dass sie alle zu Hühnern wurden, wenn sie getrunken hatten. Der Hals der teuren Dame Anley sah aus, als sei er gerupft. Durchscheinend weiß. Rote Flecken. Die ersten Gläser hatte sie zu hastig geleert.
Philip Perak dachte eine kleine Sekunde lang daran, dass Alkohol ihn zwar nicht gackern, doch zu einer Gefahr werden ließ.
Er hielt sich zurück beim Champagner.
Katja Anley hatte eine zweite gutgekühlte Flasche Roederer gebracht. Auch die war schon entkorkt worden. Perak nahm an, das alles sollte der Anfang einer Verführungsszene sein.
Ihm lag nicht daran, sie zu verärgern. Er brauchte die Anley noch. Eine Haushaltshilfe war noch nicht gefunden. Die Terrasse wollte begrünt werden. Die Lieferung der Kästen mit den Buchsbaumquadern für die Balustrade war längst
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