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Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers

Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers

Titel: Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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der umgekehrte Weg war auch nicht leicht.
    »Keine gesunde Frau«, sagte der Herr Rechtsmediziner. Er blickte zu dem Körper, der unter dem Tuch lag. Tot und obduziert.
    »Ein kleiner Scherz«, sagte er.
    Hoffentlich ließ er das Tuch liegen, wenn er nun anfing, die Erklärungen dazu abzugeben. Gernhardt hatte für heute genug.
    »Ekzeme am ganzen Körper. Könnte eine Reaktion auf Chemikalien sein. Dazu passen auch die starken Vergrößerungen von Milz und Leber. Ich tippe auf OMF. Auch da wäre die Einwirkung von chemischen Noxen denkbar. Ein Hämatologe könnte euch mehr sagen.«
    »OMF?«, fragte Gernhardt.
    »Osteomyelofibrose. Die Blutbildung ist gestört.«
    »Sie ist also vermutlich mit chemischen Substanzen umgegangen.«
    »Wäre denkbar. Ihr Alter schätze ich auf Anfang fünfzig.«
    »Nicht älter?«, fragte Gernhardt.
    Der Rechtsmediziner schüttelte den Kopf.
    »Eine kleine gynäkologische Auffälligkeit noch«, sagte er.
    Er schwieg. Ein König der Kunstpause.
    Gernhardt sah auf die Uhr. Halb fünf. Er wollte noch ins Büro und um sechs mit Dora bei Vera sein. »Also?«, fragte er.
    »Ihr Hymen ist völlig intakt. Sie war noch Jungfrau.«
    Dann stimmte auch Kummers Vermutung nicht. Vielleicht war sie einfach völlig desinteressiert an jeder Art von Sex gewesen.
    »Wisst ihr schon, wer sie ist?«, fragte der Herr Rechtsmediziner.
    Sie hatten keine Ahnung. Auch eine Vermisstenmeldung lag nicht vor.
    Dafür hatte sich eine Frau telefonisch gemeldet, deren Kindermädchen Marta Gorska vor zwanzig Jahren gewesen war.
    Sie hatte morgen eine knappe Stunde Zeit. Auf dem Flug von Stockholm nach Mailand. Eine Zwischenlandung in Hamburg. Neun Uhr dreißig.
    Ein Samstagmorgen, an dem Dora vermutlich mal in Ruhe mit ihm Kaffee trinken wollte. Nach einem heiteren Krebseessen.
    »Ihr habt also noch keine Ahnung«, sagte der Herr Rechtsmediziner.
    »Stimmt«, sagte Pit.
    In der Wohnung der Gorska hätte er die Hand ins Weihwasser getaucht und dann ein Kreuzzeichen gemacht. Ihm war danach.
    Doch das Weihwassergefäß dort war ja schon längst ausgetrocknet.
    War es ein gelungener Abend? Doch, das war es. Am Ende des Abends hatten sie »Beim ersten Mal, da tut’s noch weh« gesungen und »Goodbye Johnny«. Lieder, die von einem hohen Grad Weinseligkeit zeugten, weil sie an der Seele kratzten, die dazu in Alkohol liegen musste.
    Sie sangen laut, und nur Vera sang gut. Das hörte auch Perak, der unten stand. Das hatten sie geglaubt, hinter sich zu haben. Perak unten.
    Nahmen sie an, er sei abgereist? Nach Kapstadt?
    Nein. Das glaubte keiner. Doch einen Sommerabend lang schien die Gefahr gebannt. Nicht einmal Nick und Anni dachten daran.
    Engelenburg holte die Klarinette hervor und spielte andere Schmonzes.
    Ganz zum Schluss blies er auch »Stardust«. Weil der Mond aufging und die Sterne schienen. Er dachte sich nichts dabei. Nur Vera wusste, was dieses Lied für ein Drama ausgelöst hatte.
    Doch auch sie gebot keinen Einhalt. War höchstens den Tränen näher.
    »Wo warst du an den letzten Abenden und Morgen«, hatte sie gefragt.
    »Auf der Flucht«, sagte Nick, »vor meinen Gedanken.«
    Eine Neigung zum Kryptischen, die er gern auslebte. Am Morgen hatte er das Haus um sieben zum Frühdienst verlassen.
    Am Abend vorher ein kleiner Cocktail an einer Bar, der mit einem Kuss auf die Lippen endete. Einem flüchtigen. Abends um zehn war er längst zu Hause gewesen. Um zwölf im Bett. Allein.
    Perak stand unten und lebte sich in die Gewissheit hinein, dass dieser Song, der da oben auf der Klarinette gespielt wurde, schuld daran sei, dass damals alles kaputtgegangen war. Er oblag einem Trugschluss.
    Doch das änderte nichts.
    Er hatte den Jungen an der Hand der kleinen Alten gesehen. Vorgestern. Gestern. Auf dem Weg zu einem Kindergarten.
    Der Junge wäre ihm völlig egal gewesen, hätte er nicht ein Pfand in ihm erkannt. Hatte es nicht ein idiotisches Spiel in seiner Kindheit gegeben? Auf dem Schulhof. In den ersten Klassen.
    Was soll der tun, dem dieses Pfand gehört?
    Ein Mädchen küssen. Sich die Haare raufen. Auf den Händen laufen.
    Wäre das nicht ein Spiel, das er mit Vera spielen könnte?
    Er trollte sich, ehe der Abend da oben zu Ende ging. Die Gäste aus der Tür herauskamen. Sich lachend voneinander verabschiedeten.
    Noch wusste er nicht, welches Karussell er für den Jungen bauen wollte.
    Die Samstage waren quälender als die stillen Sonntage. Das Getriebe in den Geschäften, auf den Märkten war groß. Menschen,

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